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Die Schönheit in der Variation

Hong Sangsoons neuer Film „The Woman Who Ran“ schließt an seine früheren an (Wettbewerb)

Von Michael Meyns

Die besten Regisseure machen immer denselben Film, lautet einer dieser Sätze, die so dahingesagt sind und nur selten stimmen. Der Koreaner Hong Sangsoon scheint daraus jedoch ein Prinzip gemacht zu haben: Seit er im Alter von 35 Jahren sein Regiedebüt vorlegte, hat er über 20 Filme gedreht, die, würde man sie in kurzer Folge sehen, einen großen Film voller Wiederholungen, oder, wenn man so will, von Variationen ergeben.

Es sind immer dieselben Themen, dieselben Orte, auch die Schauspielenden tauchen immer wieder auf. So wie Kim Minhee, Hongs Lebensgefährtin, die 2017 den Silbernen Bären für „On the Beach at Night Alone“ erhielt. In Hongs neuem Film „The Woman Who Ran“ spielt sie Gamhee, eine verheiratete Frau in geregelten Verhältnissen. Zum ersten Mal seit Jahren ist sie von ihrem Mann getrennt. Sie nutzt die Gelegenheit, um ihre Freundinnen zu treffen.

In der ersten Episode, in der Gamhee Young­soon (Seo Younghwa) besucht, kommt das Gespräch noch auf eine Nachbarin, die ihren Mann verlassen hatte. Doch schon hier streifte das scheinbar beliebig mäandernde Gespräch auf Gamhees Ex, der als Autor von Theaterstücken Erfolg hat.

Während die Freundinnen hier gegrilltes Fleisch essen und den in Korea beliebten Schnaps Soju trinken, besteht das Menü beim Treffen von Gamhee und Suyoung (Song Seonmi) aus Pasta und Weißwein. Und so wie die Gerichte variieren, variiert auch das Gespräch, das um das Thema Männer und Beziehungen kreist. Von einem Dichter, mit dem sie einen One-Night-Stand hatte, fühlt sich Suyoung belästigt; Gamhee dagegen betont erneut, wie glücklich ihre Ehe sei. Zweifel daran werden in der dritten Begegnung geweckt, als sie Woojin (Kim Saebyuk) trifft, die mit Gamhees Ex liiert ist.

Hongs Filme sind von Melancholie geprägt, vom latenten Gefühl, falsche Entscheidungen getroffen zu haben. Mit seinen vielfältigen Variationen innerhalb eines Films, aber auch über sein Werk hinweg, ermöglicht es Hong seinen Figuren, diese Entscheidungen zu ändern und andere Wege einzuschlagen. Doch am Ende, das wird auch in „Woman Who Ran Away“ deutlich, macht das alles keinen großen Unterschied. Je älter man wird, desto häufiger werden Momente, die man schon einmal erlebt zu haben glaubt. Die Kunst in Hongs Kino ist es, die Schönheit der Variation zu erkennen und zu schätzen.

26. 2., 10 Uhr, Friedrichstadtpalast; 27. 2., 18.45 Uhr, ebenda; 28. 2., 12.15 Uhr, Haus der Berliner Festspiele

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