piwik no script img

berlinmusikSchimmel über Berlin

Wer sein Tape-Deck oder seinen Kassettenrekorder schon abgeschafft hatte (wie der Autor dieser Zeilen), der wird in den vergangenen Jahren nicht schlecht gestaunt haben. Denn gerade in der Berliner Musikszene erschien sehr viel spannendes Zeug auf dem Alt-aber-sexy-Medium, manchmal gar tape-only! Bei dem neuen Sampler des Tapelabels Billo Records ist das glücklicherweise anders: Die Zusammenstellung „Achtung ADK“ (Allee der Kosmonauten) kann man auch auf Bandcamp herunterladen – und es lohnt sich. Der Titel, „Allee der Kosmonauten“, bezieht sich dabei auf einen losen Verbund von Punk- und Postpunkbands, die im weiteren Umfeld von Bands wie Diät und Cold Leather und dem Label Static Shock Records unterwegs sind – deeper Berliner Underground, der eher über gewachsene freundschaftliche Strukturen funktioniert und dem es in der Nische, in der man sich breitgemacht hat, äußerst gut gefällt. „Achtung ADK“ versammelt einige tolle Acts dieser Szene: So kann man mit dem einleitenden „Over­reaction“ von der Band Nightmare gleich mal zu schrägen Synhtie-Schleifen rumhüpfen, ehe das Trio Liiek gang-of-four-mäßig vor sich hinrockt („Consent“), gefolgt vom minimalistischen New-Wave-Sound der Band Die letzten Ecken, die sich von den frühen Frauen-Punkbands wie Malaria! oder Liliput geprägt zeigt. Die Band Constant Cold War („Tormentor“) klingt dann in etwa so, wie ihr Bandname es vermuten lässt: Früh­achtziger-Cold-Wave-Sound mit The-Fall-Einschlag. Zu den Highlights der Kompilation zählen die Songs der Bands Aus und Schimmel über Berlin (was für ein genialer Name) – beide spielen ebenfalls Postpunk/New Wave im weitesten Sinne und wissen mit düsterem (weiblichen) Gesang sowie määndernden Gitarren zu überzeugen – Stücke, über die sich ein Joy-Division-Grauschleier legt. Ein paar Tracks fallen stilistisch raus, so klingen A. I. („Got Caught“) etwa eher nach rüdem, rotzigem Punk (mit einem Gesang wie frühe Slime), während Merging abschließend mit Pluckerbeats und repetitiven Synthesizerklängen sehr minimalistisch daherkommen. Insgesamt ein klasse Sampler, der auf dem Walkman sicher gut kommt ... Jens Uthoff

Various Artists: „Achtung ADK“ (Billo Records), billotontraeger.bandcamp.com/album/achtung-adk, Aus und Noj live: 29. 2., Zukunft am Ostkreuz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen