staralbum
: Der Ankläger

Rithy Panh Foto: Markus Schreiber/ap

Man darf nicht friedlich filmen“, heißt es einmal in Rithy Phans Film „Irradiés“, eine Maßgabe, die der kambodschanische Regisseur in seinem Essayfilm befolgt. Friedlich waren Phans Filme nie, so langsam, nachdenklich und meditativ sie auf den ersten Blick auch wirken. Doch unter der Oberfläche liegt das Grauen verborgen, menschliche Abgründe, zivilisatorischer Verfall, den Phan am eigenen Leib erlebte – vor allem aber überlebte.

1964 geboren, wurden er und seine Familie 1975 aus der Hauptstadt Phnom Phen ausgewiesen. In Arbeitslagern im Norden des Landes kamen Vater, Mutter, Schwestern und zahlreiche andere Verwandte ums Leben, Phan selbst konnte 1979 nach Thailand fliehen und fand schließlich in Frankreich eine neue Heimat. Von dort begann er 1989 seine Karriere als Regisseur, in der er sich fast ausschließlich mit dem Schicksal seines Landes und dem Umgang mit der Vergangenheit beschäftigt. Anfangs noch von ­außen – sein erster Film „Site 2“ entstand in einem Flüchtlingslager außerhalb der Grenzen Kambodschas –, mit zunehmender Normalisierung der politischen Verhältnisse auch von innen, an den Orten, an denen sich die Verbrechen ereigneten. Mitten in Phnom Phen befindet sich heute etwa das Gefängnis S21, in dem die Roten Khmer folterten. Phans gleichnamige Dokumentation machte ihn 2003 international bekannt („S-21: Die Todesmaschine der Roten Khmer“). Auf der Berlinale ist Phan zum ersten Mal zu Gast, am letzten Tag des Wettbewerbs, mit einem seiner stärksten Filme, denn in „Irradiés“ erweitert er seien Blick auf das große Ganze.

„Ein Aufschrei“ sei der Film, sagt Phan bei der Pressekonferenz. Er wolle die Hoffnung nicht aufgeben, erzählt er auf Französisch, der Sprache, die er nach Jahrzehnten im Exil perfekt beherrscht, und wie er da mit schwarzem Hut, einen Berlinale-Schal um den Hals gewickelt, erzählt, strahlt er trotz der schweren Themen, die an diesem Morgen angerissen werden, Gelassenheit aus. Die Gelassenheit eines Mannes, der mehr gesehen und erlebt hat als die meisten Menschen und nun unermüdlich Filme wider das Vergessen dreht. Michael Meyns