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Archiv-Artikel

Himmelshandwerker

VON STEPHAN KOSCH

Eigentlich alles ganz einfach – entweder die beiden kleinen Stücke Füllstoff, die zwischen den Kacheln hervorgucken, abreißen. Oder – wenn das nicht geht – mit einer Minisäge abschneiden. Was die freundlichen Mitarbeiter der Nasa auf einer Bilderserie im Internet zeigen, erinnert an die Do-it-yourself-Videos im Baumarkt.

Das Problem ist nur: Das ganze Manöver findet heute etwa 400 Kilometer über dem Erdboden statt. Der Amateurhandwerker Stephen Robinson hängt in der Schwerelosigkeit an einem Roboterarm unter der Raumfähre „Discovery“, während die gemeinsam mit der Raumstation ISS 28.000 Kilometer pro Stunde um den Globus kreist.

Mit einem Weltraumspaziergang hätten solche Einsätze nichts zu tun, berichten Astronauten. Im Gegenteil: Der enge Raumanzug, in dem ein ständiger Überdruck herrscht, macht jede Bewegung zur Knochenarbeit. So schweißtreibend, dass die Anzüge mit Ventilatoren und Kühlflüssigkeit ausgerüstet werden müssen.

Dennoch wagt die US-Raumfahrtbehörde Nasa erstmals das riskante Manöver einer Reparatur an der Unterseite eines Shuttles im Weltraum. Auch wenn die Crew ihren Kollegen nicht direkt beobachten kann und durch den Einsatz des Werkzeuges und des Krans die Hitzeschutzkacheln weiter beschädigt werden können. Den Verantwortlichen der Nasa sei die Entscheidung aber leicht gefallen, sagte Wayne Hale, stellvertretender Programm-Manager in der Nacht zum Dienstag. Denn jegliche Gefahr für die Astronauten bei der Rückkehr soll ausgeschlossen werden.

Was den Technikern Sorgen macht: Offenbar hatte die Hitze beim Start zwei Streifen der Isoliermasse zwischen den Kacheln gelöst. Aus der Verkleidung an der Unterseite des Raumschiffs hängen nun zwei Stücke Füllmaterial heraus, beide etwa zwei Zentimeter lang. Die Stellen sollen nun wieder geglättet werden. Denn sonst könnten beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre zusätzliche Turbulenzen am Schutzschild entstehen. Und das würde womöglich nicht nur die Navigation beeinträchtigen. Diese Extrawirbel sorgen für weitere Reibung und könnten die Temperatur an der Unterseite des Shuttels um bis zu 30 Prozent erhöhen. „Wir reden über mehrere hundert Grad“, sagte Chuck Campbell, Aeorodynamik-Experte der Nasa, angesichts von bis zu 1.260 Grad Celsius an der Shuttle-Unterseite.

Gut möglich, dass die Reparatur überflüssig ist. Denn 1995 landete ein Schwesterschiff der „Discovery“ sicher, obwohl ein etwa 3,5 Zentimeter langes Stück Füllstoff aus der Verkleidung hing. Weil aber genau dieses Shuttle, die „Columbia“, wegen eines Schadens am Hitzeschild am 1. Februar 2003 mitsamt Besatzung am Himmel verglühte, ist die Nasa diesmal besonders vorsichtig. Schließlich ist der Flug der „Discovery“ der erste nach der Explosion der „Columbia“ und steht unter dem Motto „Return to flight“. Und die Verantwortlichen haben sich wohl offene PR und hohe Sicherheitsstandards verordnet. „Das ist die neue Nasa“, sagte Hale. „Wenn wir die Sicherheit nicht garantieren können, lassen wir es. Unser Grenzbereich wurde überschritten und wir mussten handeln.“

Handeln muss vor allem Stephen Robinson, der gemeinsam mit seinem japanischen Kollegen Soichi Noguchi heute länger als geplant die ISS für einen dritten Außeneinsatz verlassen wird. Für die Notreparatur und ebenfalls vorgesehene andere Arbeiten im All sind insgesamt 6,5 Stunden eingeplant, eine Stunde davon für die Entfernung des Füllmaterials. Sollte die Reparatur nicht im ersten Anlauf klappen, sind weitere Versuche morgen oder übermorgen möglich. Am Samstag jedenfalls soll die „Discovery“ wieder von der ISS abkoppeln und am Montag auf der Erde landen.

www.nasa.gov/returntoflight/ multimedia/gap_filler_repair_ techniques.html