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wortwechselBrexit, Trump und Rechtspopulisten

Es fehlt der solidarische Internationalismus in den Brexit-Artikeln. Die Rechtspopulisten schwächeln nicht, und wir können nicht zwischen Glyphosat und Gülle unterscheiden

Brexit

„They don’t think they’re making a mess“,

taz vom 2. 2. 20

Das mit dem Plädoyer für eine „postkoloniale Selbstreflexion“ in Ehren, aber der Weg, den Herr Johnson dahin beschreitet, entspricht leider dem nationalen, rückwärts gewandten, der auch den Brexit heraufbeschworen hat. Statt der neoliberalen Transnationalität, die seit Thatcher, Blair und Schröder auch Europa heimgesucht hat, einen solidarischen Internationalismus der Menschen entgegenzusetzen, fällt auch Herr Johnson in die Falle nationaler Defensivität. Um Großbritannien zu verteidigen, greift er ein pauschales „Deutschland“ an, welches nie akzeptiert habe, „dass andere Länder sich dem einmal oktroyierten deutschen Willen entziehen können“. Dass er diesen deutschen Nationalcharakter auf die fehlende deutsche „postkoloniale Selbstreflexion“ zurückführt, weil Deutschland seine Kolonien nicht entlassen, sondern weggenommen bekommen habe, mag auf einige Rechte der Weimarer Republik zutreffen, Menschen der Zeit nach 1945 aber denken gewiss nicht an die kurze Zeit, in der Deutschland auch mal Kolonialmacht sein wollte, geschweige denn, dass sie diese Zeit als für sich und ihre Weltsicht prägend ansehen. Johnsons Artikel erinnert mich an die wütenden Attacken der Murdoch-Presse gegen Lafontaine, als dieser den Casino-Kapitalismus angriff: Geht es um nationale Interessen, wird schnell aus dem Miteuropäer der alte nationale Feind. Vor dieser schnellen Bereitschaft zur Feindseligkeit hat uns bisher die EU bewahrt. Mit dem Brexit bröckelt der Hausfrieden im Hause Europa, fürchte ich, wenn ich Johnson lese.

Alfred K. Weber, Herold

Rechtspopulisten

„Und sie schwächeln doch“,

taz vom 1. 2. 20

Sicherlich können Rechtspopu­listen auch Wahlen verlieren, aber aus den Wahlen in Österreich und in der Toskana bereits eine Trendwende herauszulesen, ist doch etwas sehr optimistisch. Das Ergebnis der Lega als Niederlage zu werten, geht doch nur, wenn man es an der Großmäuligkeit Salvinis misst. Dass die gesammelten Rechtspopulisten und Faschisten es in der Hochburg der italienischen Linken auf 43,6 Prozent gebracht haben, macht deutlich, dass es für sie in Italien zur Mehrheit reichen würde. Und andererseits gewinnen sie sogar Wahlen, wenn sie sie verlieren, da andere Parteien ihre Inhalte übernehmen. Konservative (siehe ÖVP) und rechte Liberale haben anscheinend damit am wenigsten Probleme, aber auch Sozialdemokraten scheinen dafür anfällig zu sein. Aber in Dänemark hat es ihnen nichts genützt. Denn sie haben die Wahl nicht gewonnen, sondern sogar ihren Stimmenanteil um eine halben Prozent verringert und sind nur knapp stärkste Partei geblieben. Ein Viertel der Stimmen der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei von 2015 ist nicht an die Sozialdemokraten, sondern an die regierenden Rechtsliberalen gegangen, die ebenso wie die Sozialdemokraten deren Abschot­tungspolitik übernommen hatten. 15 Prozent verlor sie an zwei neue rechtsradikale Parteien und nur 10 Prozent ihrer Stimmen gingen an die Sozialdemokraten. Dass diese eine Regierung bilden konnten, lag nur daran, dass zwei Parteien, die ihre Flüchtlingspolitik kritisierten und jetzt mitregieren, ihnen Stimmen abnahmen und zulegten: die grünen Volkssozialisten und die Linksliberalen.

Nico Biver, Marburg

Impeachment

„Abschließendes Votum am Mittwoch“,

taz vom 1. 2. 20

Was ist das für eine Farce, die sich die Republikaner im Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Trump erlauben? Man lässt Zeugen wie den ehemaligen Sicherheitsberater Bolton nicht antreten, wohl wissend, dass so ein Zeuge der eigenen Seite großen Schaden anrichten kann. Denn: Bolton als Hardliner und Republikaner steht außer Zweifel als ein Zeuge da, dem man durch seine Nähe zu Trump unterstellen kann, dass er wirklich die Wahrheit spricht und Trump als Lügner entlarvt. Aber es waren dieselben Republikaner, die eine Hexenjagd gegen den früheren Präsidenten Clinton betrieben, wo es doch nur um einen lächerlichen Blow Job ging und nicht – wie im Fall Trump – um die wirkliche Gefährdung der natio­nalen Sicherheit durch all den Unsinn, den Trump anzettelt. Was hat man da damals nichts alles seitens der Republikaner gegen Clinton vorzubringen versucht.

Die Moralischen sind die Schlimmsten, weil sie sich ihre eigene Deutungshoheit geben und den Rechtsstaat dadurch aushöhlen. Und ja: Viele Republikaner sind alt, haben ergraute-weißes Haar, sind reich und höchst reaktionär und mancher ein christlicher Taliban. Ich hoffe, der amerikanische Bürger und Wähler zeigt den Republikanern und Trump bei den nächsten Wahlen in diesem Jahr nicht nur die „rote Karte“, sondern die Abwahl.

Sven Jösting, Hamburg

Glyphosat und Gülle

„Bitte mehr Bio!“,

taz vom 12. 2. 20

An dem Artikel von Mirko Heinemann gab es aus meiner Sicht als Landwirt inhaltlich nichts auszusetzen. Das abgebildete Foto und der begleitende Text allerdings haben mich dann doch fragen lassen, wie viel Knowhow beim Layouter diesbezüglich vorhanden ist. Also, für Nichtlandwirte: Das Foto zeigt einen Bauern, der mit einem Güllefass Gülle auf sein Grünland ausbringt. Der Begleittext des Fotos: „Seit genveränderte Pflanzen eine Behandlung mit Glyphosat überleben, sind dem Einsatz des Herbizids so gut wie keine Grenzen gesetzt.“ Der mit landwirtschaftlichem Wissen in der Regel wenig vorbelastete Zeitgenosse assoziiert also mit Güllefass Glyphosatapplikation. Darüber hinaus impliziert der Text, dass glypho­satresis­tente Pflanzen hier bei uns angebaut würden. Werden sie aber nicht, weil verboten. Solcher Art Journalismus trägt ganz sicher dazu bei, dass mich Passanten in meinem Umfeld beim Jauchefahren nicht nur jetzt schon, sondern auch weiterhin mit vernichtenden Blicken strafen. Denn sie wissen ja nicht, was ich da tue.

Bei Bedarf kann ich für die taz gern einmal einen Bildband zusammenstellen, in dem ein pflügender Bauer, ein Pflanzenschutz­mittel versprühender Bauer, ein grubbernder Bauer, ein Mist streuender Bauer, und so weiter mit korrekter Beschreibung seiner Tätigkeit abgebildet sind. Um mal etwas Licht ins Dunkel zu bringen.

Michael Kusch, Taunusstein

Kein Agitieren

„Die soziale Ökonomie zählt“,

taz (Leserbrief) vom 12. 2. 20

Das kann man auf keinen Fall so stehen lassen: Leser Latka wirft den jungen Klimaaktivistinnen und den taz-Autoren (hier: Bernhard Pötter) parolenhaftes Agitieren, Nörgelei und das Ignorieren ökonomischer Zusam­men­hänge vor. Hat Latka den Artikel von Bernhard Pötter wirklich gelesen und die Talkshows mit den jungen Frauen von Fridays for Future gesehen? Die argumentieren nämlich durchaus differenziert.

Aber Tatsache ist eben auch, dass uns die beste Ökonomie nichts nützt, wenn das Klima kippt. Sie ist ja nur denkbar auf der Basis der natürlichen Lebensgrundlagen. Latka beschwört die „nachhaltige, soziale Ökonomie“. Was aber die Bundesregierung nach Verhand­lungen mit den Ländern fabriziert hat, verdient wohl kaum das Attribut „nachhaltig“. So wird der Kohleausstieg mit der Inbetriebnahme eines neuen Kraftwerks eingeleitet!

Die Abschaltung der Braunkohlekraft­werke wird weit hinausgeschoben: In vielen Jahren passiert gar nichts, und mehr als ein Drittel der Kapazität soll erst zum Ende des Jahres 2038 vom Netz gehen. Damit wurde der in der Kohlekommission mühsam ausgehandelte Kompromiss einfach aufgekündigt. Er sah nämlich eine stetige Abschaltung von Kraft­werken Jahr für Jahr vor. Das Umweltinstitut München hat die Klimapolitik der Bundes­regierung zu Recht als „bizarr“ bezeichnet.

Eduard Belotti, Augsburg

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