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Blut, Schweiß und keine Tränen

In Horrorfilmen dominieren männliche Frauenfantasien. Das „Final Girls“ Festival zeigt hingegen nur Filme von weiblichen und nichtbinären Filmemacher*innen

Von Carolin Weidner

In ihrem Nachruf auf die US-amerikanische „DIY-Königin“ Sarah Jacobson, die 2004 mit 32 Jahren verstarb, schrieb Eugene Hernandez: „Auf Festivals und Partys, in Seminaren oder innerhalb einer kleinen Gruppe von Leuten provozierte sie häufig Gespräche und Debatten über Themen wie Film, Musik, Masturbation, Molly Ringwald und Männer. „We’re gonna fuck the shit up!“, verkündete sie mit breitem Grinsen – zum Missfallen einiger und Freude vieler.“

Es wäre interessant zu erfahren, welche Gedanken Sarah Jacobson einst zu Molly Ringwald umgetrieben haben. Acht, beziehungsweise sieben Jahre nach deren großen Kinohits „Breakfast Club“ und „Pretty in Pink“, in denen Ringwald zur Leitfigur irgendwie andersartiger und doch gewöhnlicher High-School-Prinzessinen geworden war, schwappte Jacobsons „I Was a Teenage Serial Killer“ (1993) durch die amerikanische Undergroundszene.

Zum Sound der Riot-Grrrl-Band Heavens to Betsy knöpfte sich eine 19-Jährige (Kristin Calabrese) allerhand Männer vor, die ihr über den Weg liefen und ein altes Kindheitstraumata triggerten, das erst gegen Ende des Kurzfilms enthüllt wird. Bis dahin müssen einige Herren dran glauben. Manchmal, weil sie während des Sex einfach das Kondom abstreifen. Andere Male verfallen sie in enervierende Monologe, betrügen oder können sich einen Catcall nicht verkneifen. Das Herz, das Männer und Frauen doch gemeinhin miteinander verbinden soll, und welches einer der Todgeweihten gerade noch verliebt an eine Wand gesprayt hatte, wird von der Teenager-Serienmörderin bald darauf mit ein paar weißen Kreidestrichen zerstört.

Sarah Jabobsons Debut (auf das wenige Jahre später „Mary Jane’s Not a Virgin Anymore“ folgte) ist der Vorfilm eines historischen Doppelprogramms, das die Macher*innen des „Final Girls“ Festivals für das City Kino Wedding zusammengestellt haben. Hauptfilm ist „Slumber Party Massacre“ (1982), in dem vielleicht auch Molly Ringwald eine gute Figur gemacht hätte: Freundinnen eines kalifornischen High-School-Basketball-Teams verabreden sich zum abendlichen Abhängen bei einem der Mädchen zu Hause, um Limonade und Bier zu trinken, Pizza zu bestellen und zu kiffen.

Dumm nur, dass ein bekannter Serienmörder sein Unwesen treibt und es auf die Slumber Party abgesehen hat. Die Regie für den Slasher-Film übernahm Amy Holden Jones, die 1975 von Martin Scorsese entdeckt worden war; das Drehbuch stammt aus der Feder Rita Mae Browns, Lyrikerin und Farmerin, die in ihrem autobiografischen Coming-of-Age-Roman „Rubyfruit Jungle“ die Geschichte der lesbischen Molly Bolt erzählt und damit im Jahr 1973 viel Aufsehen erregte.

Andeutung queerer Plots

Auch in „Slumber Party Massacre“ finden sich einige subversive Elemente. So gibt es gleich mehrere Handwerkerinnen zu sehen und zwischen zwei der drei Final Girls wird so was wie ein queerer Plot angedeutet. Davon abgesehen ist der Film schön und geschickt inszeniert, und es wird sogar in einer Playgirl geblättert.

Das Festival überzeugt aber nicht nur aufgrund seiner Filmauswahl (ein Großteil kommt als thematisch zusammengestelltes Kurzfilm-Programm mit Titeln wie „Bad Romance“, „#metoo“, „Social Ills“ oder „Queer Horror“ daher), sondern auch wegen der Talks und Lectures. Ebenfalls am Samstag wird Valeria Villegas Lindvall über „La Llorona“ referieren, zu Deutsch: „Die Weinende“, eine unheimliche lateinamerikanische Folklorefigur, die seit den 1930er-Jahren regelmäßig im mexikanischen Kino auftaucht.

Am Freitag widmet Amanda Reyes sich derweil dem Gebiet Frauen und TV-Horror-Produktion zwischen 1964 und 1999. Dabei geht es sowohl um Frauen, die in jenen Filmen spielten, als auch um solche, die an Prozessen hinter der Kamera beteiligt waren. Sonntags gilt es dann, die Ärmel hochzukrempeln: Beim Self-Defense-Workshop „How Did She Do That?“ werden Filmszenen auf ihre Kampfkunst-Aspekte hin untersucht – und zur Nachahmung aufbereitet.

Flankiert wird das alles von der Ausstellung „End of Days“, auf der apokalyptische und experimentelle Comics wie Illustrationen präsentiert werden, unter anderem von Danielle Nebula, Henna Räsänen und Rory Midhani. Es gilt also, abwechslungsreich zu werden. Spätestens mit dieser Ausgabe dürfte sich das Final Girls Festival in Sachen Horror – fernab von male gaze und patriarchaler Produktionsstrukturen – als wichtige Schnittstelle zwischen Industrie, Wissenschaft und Filmleidenschaft etabliert haben. Oder, in den Worten Sarah Jacobsons: „We’re gonna fuck the shit up!“

„Final Girls“ Berlin Film Festival: City Kino Wedding, 6.-9. 2., Festivalticket 68 €, Einzeltickets ab 6 €, mehr Infos unter www.finalgirlsberlin.com

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