Mein Gott, Falter!

Warum heißt der so? Wie tarnt er sich vor bösen Bienen? Und wie gut ist er im Bett? Fun Facts über Acherontia atropos

Die Fehler der Lämmer

Dass die Darstellung des Totenkopfschwärmers (in diesem Fall die asiatische Schwesternart Acherontia styx) oft auf der Grundlage künstlerischer Freiheit erfolgt, zeigt sein entomologisch fehlerhafter Auftritt in dem Film „Das Schweigen der Lämmer“. Auf dem bekannten Plakat mit Jodie Foster besteht die Totenkopfzeichnung des auf ihrem Mund sitzenden Falters aus nackten Frauenkörpern. Die Idee ist dem surrealistischen Kunstwerk „In Voluptate Mors“ von Salvador Dalí und Philippe Halsman entlehnt.

Die in dem Film umherfliegenden Falter sind allerdings keine Totenkopf-, sondern Tabakschwärmer. Für Nahaufnahmen wurde ihnen von der Maske eine auf einen künstlichen Fingernagel aufgemalte Totenkopfzeichnung angeklebt.

Auch die gezeigten Puppen sind die des Tabakschwärmers, und als der Gerichtsmediziner eine davon aufschneidet, um die ebenfalls fingierte Totenkopfzeichnung freizulegen, tritt aus der Chitinhülle eine effektheischend widerliche und so bei Insekten nicht auftretende Masse aus. Für manche Einstellungen wurde am Filmset statt der Falterpuppe ein Schokoriegel verwendet.

Honigdieb mit Bienenduft

Als sogenannter Kleptoparasit frisst der Totenkopfschwärmer gestohlenen Honig. Imker fanden oft tote, in Wachs mumifizierte Falter in Bienenstöcken, weshalb Forscher mutmaßten, die Bienen brächten sie stets um. Mit der Zeit verstand man, dass der Falter meist doch unbeschadet wieder herausfindet – was aber nicht minder faszinierte. Denn: Wie macht er das, ohne von den Bienen als Eindringling erkannt zu werden?

Es gab die These, dass die ähnlich gefärbten Falter Bienentänze nachahmen, um nicht aufzufallen. Außerdem dachte man, die Töne ähnelten der Soundfrequenz von Bienenköniginnen und würden so die Arbeiterinnen lähmen. Man diskutierte gar, ob die Rückenzeichnung in Wirklichkeit die Königin imitiert.

Durch eine Studie unter Leitung des deutschen Biologen Robin Moritz ist seit 1991 bekannt, dass vor allem eine chemische Tarnkappe aus vier speziellen Fettsäuren den Falter schützt. Der Totenkopf riecht also wie die Bienen, sodass sie ihn ignorieren, obwohl er um ein Vielfaches größer ist. Außerdem schützt ihn wohl eine gewisse Giftimmunität: In einem Experiment spritzte man einem Männchen den Inhalt von vier Bienengiftblasen – nach anfänglichen Krämpfen ging es ihm nach 15 Minuten wieder gut.

Sex aus allen Richtungen

Selbst im privatesten Bereich ist der Totenkopfschwärmer eine nachgerade frivol anmutende Ausnahmeerscheinung. Während die Kopulation fast aller Falterarten so erfolgt, dass das Männchen kopfunter am Weibchen „hängt“, sitzt der Totenkopfschwärmer bei der Begattung meist seitlich auf dem Weibchen.

Aber auch die übliche Falterposition und die für Schmetterlinge gänzlich untypische „Missionarsstellung“ wurden schon beobachtet. Der Totenkopf ist deutlich experimentierfreudiger als andere Arten. Ob auch Lauterzeugung und Duftdrüsen der Männchen etwas mit Sex zu tun haben, ist nicht richtig erforscht.

Straight outta Hades

Der wissenschaftliche Name des Totenkopfschwärmers steckt voller Anspielungen auf griechische Mythen. Der Gattungsname Acherontia bezieht sich auf Acheron, den Fluss der antiken Unterwelt Hades. Und den Artnamen „atropos“ verdankt der Falter der griechischen Schicksalsgöttin Atropos, die den Menschen ihren Lebensfaden durchtrennt.

Laut Hesiod bemisst diesen zuvor ihre Schwester Lachesis – nach ihr ist eine der beiden anderen, in Asien lebenden Totenkopfschwärmer­arten benannt, Acherontia lachesis. Die dritte Art, Acherontia styx, trägt ebenfalls den Namen eines Hades-Flusses. Zuvor hatten Forscher den drei Arten weitere Namen gegeben, etwa charon, satanas oder morta.

Poe irrte, Darwin schwärmte

Der Schriftsteller Vladimir Nabokov, der auch Schmetterlingsforscher war und dem Totenkopfschwärmer selbst einige literarische Zeilen widmete, kommentierte eine Schauergeschichte seines Kollegen Edgar Allan Poe folgendermaßen: „Er hat nicht nur den Totenkopfschwärmer nicht bildhaft dargestellt, sondern hatte auch die völlig falsche Vorstellung, dass er in Amerika vorkommt.“ Wahrscheinlich hatte Poe den tierischen Protagonisten seiner Erzählung „The Sphinx“ nie selbst zu Gesicht bekommen. Aber sein Anspruch war schließlich auch kein entomologischer.

Charles Darwin hingegen wusste ­sicher ganz genau, wovon er redete, als er seinem Cousin W. D. Fox an Weihnachten 1828 schrieb: „Du kannst Dir nicht vorstellen, wie sehr sich mein Vater über seine Totenköpfe gefreut hat. Er sagt, er hätte sich kein besseres Geschenk einfallen lassen können, selbst wenn er eine Woche überlegt hätte. […] Ihr Anblick war ihm ein Zauber.“