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Die etwas anderen Gastarbeiter

Swinging St. Pauli: der ach so sündige Stadtteil als Karriere-Durchlauferhitzer – ja, auch für die Beatles

„Fünfter Beatle“: So sind allerlei Weggefährten der Band bezeichnet worden – auch Klaus Voormann, Grafiker aus Hamburg, der auch das Cover des Albums „Revolver“ gestaltete Foto: Axel Heimken/dpa

Von Alexander Diehl

Wenn es nicht der Hafenromantik- und Hanse-Kitsch sind, oder „Cats“ ­­­– damals zuerst in Deutschland­ – oder auch dieser länger als alle anderen erstklassig spielende Fußballverein aus Stellingen: Dann sind es die Beatles, die zuverlässig hamburgischen Stolz hervor kitzeln. Noch heute allem Kommerz gegenüber skeptische, von den neoliberalen Weltläuften umso überrundeter wirkende Alternativ-Grantler wollen ja dabei gewesen sein, als damals diese Mutter aller Pop-Bands ihre Weltkarriere startete, auf unserm schönen St. Pauli.

Dass sie an der Elbe die Beatles zuerst haben hören dürfen: Das ist eine zähe Redefigur, die sich sogar in den kommentierenden Booklets lokaler Punkrock-Übersichts-Sampler wie­derfindet. Hamburg war, wie sonst allenfalls noch Düsseldorf, die Hochburg des Mod-Revivals hierzulande: Dass sich um 1980 Punker und Anhänger*innen benachbarter Subkulturen im Wortsinne die Schädel einschlugen? Ist doch alles lange her.

Zwischen den Jahren geht es der taz nord um ihre Grenzen – und darum, was die Menschen daraus machen. Zum Schluss: Themse-Hanseaten und Kiez-Karrieren

Im August 1960 kam die Band nach Hamburg. Da gab es sie noch nicht arg lange, eben erst hatte sie den Namenszusatz „Silver“ abgelegt. Mit George Harrison, John Lennon und Paul McCartney sind drei Viertel der späteren, der Kanon-Beatles, schon dabei, dazu Schlagzeuger Pete Best und Stuart Sutcliffe am Bass. Best wird nach etwa zwei Jahren ersetzt werden durch Ringo Starr. Auch der verdiente sich damals seine Rundstücke in Hamburger Kellerschuppen, als Teil von Rory Storm & The Hurricanes.

Und Sutcliffe, der Kunsthochschulabsolvent, der sich auf der Bühne nie so wohl gefühlt haben soll wie an der Leinwand? Starb keine zwei Jahre später an einer nicht rechtzeitig entdeckten Hirnblutung, gerade mal 22-jährig. Seine Geschichte aber vor allem die Liaison mit der Fotografin Astrid Kirchherr war später Gegenstand des Films „Backbeat“. Eine Musicaladaption wiederum war selbstredend auch in Hamburg zu sehen.

Eine populäre Lesart nicht nur im Fall der Beatles: Hamburg scheint ein gutes Pflaster gewesen zu sein, um aus miteinander – auch mal aneinander vorbei – musizierenden Individuen Bands werden zu lassen; oder aus Typen, die am Mikro standen, echte … ja, vor allem war es doch eine Frontmännerwerdung, zu deren Schauplätzen Kellerkneipen und umgewidmete Kinosäle wurden.

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Zahlreich sind die Erzählungen vom stetig steigenden Spielniveau, das sich dann auch an den Besucher*innenzahlen ablesen lasse. Indra, Kaiserkeller, Top Ten und Star-Club: Größer wurden die Läden, aber der echte Wahnsinn, also die sprichwörtliche Beatlemania erlebte Hamburg erst 1966, da kehrten sie wieder für eine „Blitztournee“ mitsamt Unterbringung in einem Schloss/Hotel vor den Toren der Stadt – aus Sicherheitsgründen.

Denkbar anders also als zu Anfang: Da hatten sie noch vertraglich festgezurrte Bühnenstunden abzuleisten – besaßen aber nicht unbedingt auch die Papiere, die zum Spielen berechtigten: Anfang Dezember 1960 flogen Best und Co. raus aus Deutschland, wegen fehlender Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen. Wie es bis heute so viele tun, die sich anderswo ein besseres Leben erhoffen: Sie kamen einfach wieder.

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