Herr Schönbohm ist ein Ignorant

betr.: „Da war eine Frau in höchster Not“, Interview mit H.-J. Maaz, „Polizei sucht Vater der neun toten Kinder“, taz vom 4. 8. 05

Richtig ist, dass nach der Wende der Konsum und die damalige D-Mark als Synonym für Freiheit herhalten mussten. Richtig ist auch, dass der Egoismus im Verhalten Einzug hielt. Aber dafür zum Beispiel den so genannten Gefühlsstau verantwortlich zu machen und das falsche Verständnis von Freiheit, ist ein bisschen wenig.

Jahrelang ist durch die Medien gerade der Konsum und das Geld als Sinn des Lebens gegeistert, „Freie Fahrt für freie Bürger“ ist auch bei den DDR-Bewohnern angekommen. Jahrzehntelang wurde die Lebensweise der Bundesbürger ihnen doch als Vorbild hingestellt und nach der Wende ganz schnell alles, was an die ehemalige DDR erinnerte, weggeschafft. Egal ob es um Denkmäler ging oder Straßennamen, alles was an revolutionären Errungenschaften je vorhanden war, musste schnellstens weg. Die Erziehung zur Ehrung des Proletariats – wie Schönbohm meint – für Verbrechen verantwortlich zu machen, ist nicht nur unverschämt, es ist die Beleidigung aller, die Kinder zu Zeiten der DDR in die Welt setzten. Herr Schönbohm vergaß, dass auch Frau Merkel in der DDR gelebt hat.

Am Ende des Interviews wird aber klar, was Herr Maaz will. Er kann es nicht unterlassen, die Kollektivität mies zu machen. Dabei waren es gerade die Kollektive in den Betrieben, die sich nicht nur Problemen annahmen, sie halfen auch kriminell Gewordenen wieder auf die Beine. Vereinzelung und Egoismus waren schon immer Lebensräume im so genannten Westen. Richtig ist allein, dass ein Kollektiv nur Bestand haben kann, wenn jedes einzelne Mitglied über eine Ich-Stärke verfügt. Anderenfalls ist kritische Haltung gegenüber Autoritäten nicht möglich und soziale Kompetenz weiterhin eine Utopie.

Ärgerlich ist allerdings dieser Medien-Hype und das allseitige Entsetzen. Seit langer Zeit ist in der gesamten Welt die Zunahme von Gewalt zu beobachten. Vor allem auch bei Politikern, die Probleme mit Krieg und anderen Gewalttaten zu lösen suchen. Da schreit dann alles auf, wenn das im privaten Bereich auch passiert. Das ist verlogen und Heuchelei, deshalb können solche Sätze wie von Schönbohm auch ins Medienleben treten. ILSE SCHWIPPER, Berlin

Ich gebe dem Psychoanalytiker Recht! Herr Schönbohm ist ein Ignorant, wenn er nicht anerkennt, dass die soziale Sicherheit für den Bürger der DDR besser war als die derzeitige in unserer BRD. Er sollte die Anzahl der Suizidfälle im Osten Deutschlands vor und nach der Wende einmal vergleichen! Auch wenn es damals nicht in der (Ost-)Presse stand. Ich bin der Überzeugung, dass dieser Fall nicht unbedingt etwas mit den gesellschaftlichen, sondern eher etwas mit den persönlichen und familiären Problemen der beteiligten Personen zu tun hat. HELMUT RIEDEL, Chemnitz

Es ist ja nicht das erste Mal, dass sich dieser ehemalige Bundeswehrgeneral danebenbenommen hat. Es ist für alle normal denkenden Menschen unbestritten, dass die DDR trotz vieler politischer Fehler kinderfreundlicher war als die angeblich „demokratische“ Bundesrepublik. SIGMUND LEIB, Berlin

Das SED-Regime hat alles Mögliche getan, mehr, als Schönbohm wissen kann. Aber die Förderung menschlicher Rohheit muss er woanders suchen. Vielleicht außen?

Ich wohne seit 1985 in einem WBS70-Hochhaus. Zu DDR-Zeiten kannten sich alle Parteien, zwei Drittel näher. Diejenigen, die sich nicht von der „sozialistischen“ Hausgemeinschaft vereinnahmen lassen wollten, hatten aber immerhin Kontakt. Heute kenne ich noch fünf Mieter, fast jeder möchte mit den anderen so wenig wie möglich zu tun haben. Und dies ist etwas, das von allen (westlichen) Groß-/Sozialsiedlungen bekannt ist – also keine boshafte Erfindung des SED-Regimes. KARL-S. BERG, Berlin