: Ausgerechnet Bananen!
In der Performance „Banana Island“ untersucht das Theaterkollektiv „Die apokalyptischen Tänzer*innen“ die kulturellen und politischen Verstrickungen krummer gelber Früchte
Von Verena Großkreutz
Hübsch ist sie, diese Banane, wie sie da so rank und schlank und frei im Raume schwebt. Zwei, drei Meter groß, in Schale. Sie dreht sich im Zeitlupentempo über einem Riesen-Champagnerkelch. Der ähnelt verdächtig jenem Behältnis, in dem sich einst lustvoll die Burlesque-Tänzerin Dita von Teese räkelte. Weiße Tüllpompoms liegen darin – als Sektschaumimitat, das später als Tanzutensil kokett durch die Luft geschwungen wird. Die Banane strahlt wie eine Discokugel. Sich selbst ausziehen kann sie naturgemäß nicht. Das Entblättern besorgt das tänzelnde Trio, das ihr die gelb glitzernde Umhüllung genüsslich vom Leibe pellt.
Die Banane wird selbstverständlich nicht bloß erotisiert in der Performance „Banana Island“ des Theaterkollektivs „Die apokalyptischen Tänzer*innen“, ein einstündiger Abend, der Ende November im hippen Theater Rampe in Stuttgart Premiere hatte und nun nach Bremen kommt. Schon das karge Bühnenbild der Ausstatterin Lea Steinhilber setzt einen sachlichen Kontrast zum schwungvoll geformten sexy Glamour-Obst: großgebeamte Rechenkästchen als Hintergrund, nur farblich andersrum. Im Dunkeln leuchten die Linien grellweiß. Ein akkurates Muster. Es geht um Politik, um die Banane als Symbol für die kolonialen, ausbeuterischen Strukturen des globalen Handels. Hier steht sie für Natur- und Kulturzerstörung, für Ungerechtigkeit und Gewalt, für Sexismus und Rassismus.
Gleichermaßen ist sie aber auch Objekt der Begierde, Projektionsfläche, exotische Sehnsuchtsfrucht und Kulturgut – populär geworden durchs Bananen-Röckchen von Josephine Baker oder die Velvet-Underground-Banane von Andy Warhol. Assoziations-Facetten bietet die charismatische Frucht genug, da geht das performende Trio in die Vollen, torpediert das Publikum mit Fakten: Bananenpreise, Verkaufszahlen, wie viel weltweit durchschnittlich konsumiert wird, politische und wirtschaftliche Verwicklungen, Historisches. Der Naturwissenschaftler Carl von Linné (Jasmin Schädler) kommt zu Wort: „der Vater der Klassifizierung“, der 1758 ein Ordnungssystem schuf, in dem er Pflanzen, Tiere und Mineralien katalogisierte.
Weil der Abend als Revue gebaut ist, gibt’s zwischendurch groteske Ensemble-Tänzchen: Ringelreihen, Schulterzucken, ballettöses Tippeln, burlesques und sambaeskes Hüftschwingen, auch wird die Banane als Fetisch angetanzt – zur Musik von Sara Glojnaric, die lateinamerikanische Rhythmen mit Barockem, mit Jazz und Elektro-Ethno mischt. Von allem halt ein bisschen, auch Tanz und Musik stehen hier für die Globalisierung. Die drei PerformerInnen Calendal, Mona Louisa-Melinka Hempel und Jasmin Schädler bewegen sich in einem Misch-Outfit aus Ballett-Tütü, silberfarbenen High Heels und Korsett, daran fixiert ein Gitter-Reifrock mit lamettaartigem Gehänge.
Das alles ist recht kurzweilig und von performativer Beliebigkeit befeuert. Calendal stellt tänzerisch wie stimmlich einen sympathischen Dilettantismus zur Schau, der freilich die eine oder andere Theaterminute etwas in die Länge dehnt, wenn er in einer schier endlosen Barockopernparodie traurig von der Unfähigkeit raunt, einen Text „über die Verstrickungen des Lebensmittelhandels“ zu schreiben.
Mona Louisa-Melinka Hempel kann sich am Ende durch ein ausdruckstänzerisches Solo in Szene setzen: „Ich bin ein Körper auf dieser Bühne“ heißt es, bevor sie sich streckend und dehnend den grellen Linien des Bühnenbilds zu entziehen sucht, sich barfuß mehr und mehr frei tanzt, doch wie in Trance gar nicht mehr aufhören kann. Vielleicht ein Verweis auf die ausbeuterische Arbeit im Akkord?
Für die politischen Aspekte wurde das Publikum schon vor der Vorstellung im Foyer sensibilisiert. Da darf man zwei „Banana-Memory“-Karten ziehen. Auf der einen steht eine Frage, etwa: „Kann die Kameruner Bevölkerung von der hohen Bananenproduktion ihres Landes profitieren?“ Auf der anderen findet sich eine Antwort: „Der Weltrekord für die meisten innerhalb einer Minute geschälten und verzehrten Bananen liegt bei 8 Stück.“ Nun gilt es, die jeweils fehlenden Teile bei den anderen Gästen zu suchen. Das pädagogisches Ziel: Das Publikum ins Gespräch zu bringen.
Die allgemeine verschämte Schüchternheit gegenüber fremden Menschen hemmt freilich das angeregte Gespräch. Trotzdem: eine schöne Idee. Gliedert sich die Performance doch ein in ein komplexes Bananen-Aufklärungsprojekt aus Vorträgen, Workshops, Stadtspaziergängen, Filmvorführungen und in Bremen auch einem taz-Salon. Das ergibt Sinn, wohl bekomm’s.
„Banana Island“: 16. und 18. 1., 20 Uhr, sowie 19. 1., 20 Uhr, Schwankhalle. Weitere Workshops und Termine auf www.schwankhalle.de
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