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Archiv-Artikel

Unvermögen zu versteigern

KULTUR Beim „Freiland Festival“ ist nicht reich, wer viel auf dem Konto hat. Hier sind auch Kommunikations- und Einfühlungsvermögen gewinnbringend

Von NAG
Festival-Highlights

Auf dem Schlachthofgelände gibt es drei Tage lang Vermögensoptimierung umsonst und draußen.

■ Freitag Eröffnung um 18 Uhr.

■ ab 18.45 Uhr Theaterperformances in den Würfeln.

■ ab 20 Uhr Kurzfilmwettbewerb mit Preisverleihung in der Kesselhalle.

■ Samstag ab 14 Uhr Programm auf dem Schlachthof-Gelände.

■  23 Uhr Graffiti-Performance in der „Pandora’s Box“.

■ anschließend Party mit DJs im Foyer.

■ Sonntag ab 14:00 HipHop und Performance mit Polaroidfotos in der AMS! Cube.

Vermögen muss nicht immer aus Geld bestehen. Das Talent, zuzuhören oder sich durchzusetzen kann genauso viel wert sein, wie eine dicke Brieftasche. Diese These steht hinter dem Titel „Auf Vermögen angelegt“ des „Freiland Festivals“ im Kulturzentrum Schlachthof.

Künstler Benjamin Lauterbach wollte genauer wissen, was den Menschen lieb und teuer ist und hat im Vorfeld eine „unfehlbare Statistik“ erhoben. Auf dem Findorff-Markt und dem Flohmarkt auf der Bürgerweide füllten am vergangenen Wochenende 56 Marktbesucher einen Fragebogen aus. Die Befragten stellten etwa in einem Balkendiagramm aus bunten Altkleiderstreifen dar, welche Vermögensart ihnen am wichtigsten ist. Der Pfahl für „Einfühlungsvermögen“ war mit den meisten Stofffetzen umwickelt, die Balken für Kapital- und Immobilienvermögen blieben dagegen fast leer.

Glaubt man Lauterbachs Statistik, ist finanzielles Vermögen nicht der entscheidende Maßstab für Reichtum.

Auch wenn Website und Programm des „Freiland Festivals“ in edlem Barockmuster daherkommen, erzählen die Performances, Lesungen und Kurzfilme Geschichten von der Unzulänglichkeit des Geldes und zeigen andere Vermögensarten auf: Das Theaterlabor will seine künstlerischen Talente gewinnbringend investieren und zwei Theatermacher aus Basel und Ougadougou fragen, ob sich das Projekt der Revolution in Burkina Faso rentiert hat.

In Anspielung auf die Wettspiele der Finanzmärkte spielen insgesamt sechs Theater- und Performancegruppen in eigens gebauten Würfeln. Im „Paperboard Cube“ etwa rebellieren sechs Performerinnen gegen die „Tyranny of Choice“.

„Die Frage ist: Ist Reichtum an Möglichkeiten wirklich Reichtum?“, sagt Regisseurin Katrin Bretschneider. Die Studentinnen vom Zentrum für Performance Studies der Uni Bremen kennen den Entscheidungsdruck, aus unendlich vielen Möglichkeiten die richtige auszuwählen und Prioritäten zu setzen. Sie helfen unentschiedenen Theaterbesuchern, indem sie Entscheidungsfragen wie „Wurstbrot oder Müsli?“, die Zuschauer zuvor auf ein Papierschild malen, instinktiv für sie beantworten.

Das Publikum soll danach über die Wiedererkennungsmomente ins Gespräch über die Entscheidungstyrannei kommen. Bretschneider findet: „Man denkt, das ist eine Privatmeise, und dann merkt man: Es liegt gar nicht an mir!“  NAG