JEAN PETERS POLITIK VON UNTEN : Für mehr Kunstfehler!
Über sympathische Technokraten und die rechtsstaatlichen Paradoxien zivilen Ungehorsams
Wer politisch aktiv ist, findet sich ab und an vor Gericht. Vergangenen Montag wurde mir unterstellt, spritfressenden Riesenautos die Luft rausgelassen zu haben. Wir wurden damals von ZivilpolizistInnen beobachtet und festgenommen, der Staatsschutz ermittelte wegen geklauter Luft und Sachbeschädigung ohne kaputte Sache.
Zwei Jahre später, nach Hausdurchsuchungen und DNA-Analysen, sieben Ordnern voller Paragrafen und Briefen beleidigter Staatsanwälte, Zahlen und vermeintlichen Beweisen saßen wir am vergangenen Montag endlich vor Gericht. Ich hätte nie erwartet, dass in dieser preußischen Atmosphäre ein so unterhaltsames Spektakel entstehen könnte. Man stelle sich Justizbeamte vor, die mit zunehmender Begeisterung und Heiterkeit über Ventilkappen, Eicheln und Kieselsteinchen reden. Als es darum ging, dass wir bei der Tat beobachtet wurden, fragte der Richter den Staatsschutzbeamten: „Was meinen Sie mit ‚Sie sind verschwunden?!‘ Wie soll ich mir das bitte vorstellen?“, und der Saal raunte belustigt. Oder „Ventilkappennummer VB333-fx41 … Sie stimmt in Ihrem Bericht nicht mit derjenigen Ihres Kollegen überein – würden Sie das nicht als Kunstfehler bezeichnen?“
Man mag meinen, das sei die Art Unterhaltung, mit der Vater Staat eingesteht, dass seine Regeln gebrochen werden dürfen, wenn er krude Klimapolitik verfolgt. Doch es zählt keineswegs das rationale Argument. Wir waren drei Studenten, die eine laut Staatsanwalt „sehr charmante“ Einlassung präsentierten, mit den Beweismitteln kokettierten und es dem Richter leicht machten, unsere Sache zu unterstützen. Diese drei lieben Jungs, die KANN man doch nicht verknacken. Sie studieren, können sich ausdrücken, haben das juristische Spiel verstanden, und sie sind ach so engagiert. Aber was ist, wenn da Menschen sitzen, die keinen Pass haben und nur schlecht Deutsch reden?
Trotzdem bin ich froh, dass wir diesmal fast ungeschadet rausgekommen sind. Ziviler Ungehorsam ist eine höchst demokratische, aber sehr staatsgläubige Aktionsform. Selbst wenn sie gewaltfrei und verfassungstreu ausgelegt wird, hängt sie davon ab, dass die Beteiligten Repression aushalten und sich dagegen durchsetzen können. Von Gerechtigkeit sollten wir dabei nicht reden.
■ Der Autor ist Politikstudent, Kinderclown und Friedensaktivist Foto: Sylphide Noire