brief des tages
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Nicht ohne fremde Hilfe

„Bahn mit Behinderung“, taz vom 23. 12. 19

Als historisches Erbe einer vielfältigen Geschichte der deutschen Bahnen wären die Unterschiede der Bahnsteighöhen ja noch verständlich. Aber die Deutsche Bahn hat auch keine Strategie der Vereinheitlichung, und die Eigendynamiken der Verkehrsverbünde machen es ihr offenbar nicht leichter.

Erst 2003 wurde die S 9 von Essen nach Wuppertal ausgebaut – mit überwiegend neu gestalteten Haltepunkten. Bahnsteighöhe: 96 Zentimeter, weil das die Einstiegshöhe der S-Bahn-Fahrzeuge der DB war. Ab 2019 wurde die Strecke neu vergeben, und die Linienführung wurde für einen Teil der Takte als Regionalexpress verlängert. Für den Regionalexpress gilt die Normbahnsteighöhe von 76 Zentimeter, also musste der neue Anbieter, der den Zuschlag erhielt, entsprechende Fahrzeuge anschaffen. Wunderbar komfortable Fahrzeuge, nur ist jetzt überall eine Stufe von 20 Zentimetern zu überwinden. Bahnsteige erhöhen wäre ja noch mit entsprechenden Aufbauten realisierbar, aber erniedrigen heißt Abriss. Darauf kann man 100 Jahre warten, wie die DB selbst in einem Hilflosigkeitsdokument zugibt. Waren Rollstuhlfahrer bisher entlang der S 9 nicht auf fremde Hilfe angewiesen, so ist es damit nun vorbei. Matthias Knuth, Hattingen