: Wie lange ist „ewig“?
HAFTDAUER Viele Norweger wünschen, dass Anders Breivik für immer eingesperrt bleibt. Doch in 21 Jahren könnte er frei sein – vielleicht sogar früher. Denn lebenslängliche Haft gibt es in Norwegen nicht
STOCKHOLM taz | Drei Zellen zu je 8 Quadratmetern. Eine Wohn-, eine Arbeits- und eine Trainingszelle. Keinerlei Kontakt mit anderen Insassen, jegliche Kommunikation nach draußen wird überwacht, gegebenenfalls zensiert oder verboten. Das erwartet Anders Breivik im Hochsicherheitstrakt der „Ila-Gefängnis- und Verwahranstalt“.
Am besten „ewig“. Das zumindest wird querbeet durch alle Parteien und von vielen Opferangehörigen und Überlebenden gewünscht. „Für immer wegschließen“ fordert beispielsweise Claude Perreau. Zwei seiner Söhne waren auf Utøya. Nur der jüngste kam wieder nach Hause. Er sei „sicher“, dass Breivik nie mehr frei kommen werde, meint Jan Bøhler, Justizpolitiker der regierenden Sozialdemokraten.
Doch „lebenslänglich“ kennt das norwegische Strafrecht seit 30 Jahren nicht mehr. Die Höchststrafe „soll gewöhnlich“ nicht 15 Jahre und „darf“ nicht 21 Jahre übersteigen. Danach kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft eine Verlängerung um bis zu fünf weitere Jahre beschließen. Eine Obergrenze für die Zahl solcher „Verlängerungen“ gibt es nicht. Andererseits ist aber auch eine „Freilassung auf Probe“ ab 10 Jahren Haftverbüßung möglich, wenn der Verurteilte voraussichtlich keine Gefahr für die Gesellschaft mehr darstellt.
„Politiker versprechen etwas, was sie nicht halten können“, kritisiert daher Rechtsanwalt Tor Erling Staff. Keiner von ihnen werde wohl noch in einem politischen Amt sein, wenn es „so weit“ ist, wenn also ein Gericht darüber zu entscheiden hat, ob Breivik wieder auf freien Fuß kommt.
Darauf sollte sich Norwegen einstellen, meint sein Verteidiger Geir Lippestad. Wie wolle man eine gesellschaftliche Gefährdung begründen, wenn sich Breivik konsequent von seiner jetzigen ideologischen Gedankenwelt distanzieren würde?
„Man kann nicht wünschen, dass er ewig eingesperrt bleibt“, sagt auch Kriminologieprofessor Nils Christie: „Dass es für jede Tat eine Art von Vergebung geben muss, entspricht jedenfalls meinen grundlegenden Werten.“
Warum Breivik wieder eingliedern?, fragt dagegen Perreau: „Die Gesellschaft hat dabei nichts zu gewinnen.“
REINHARD WOLFF