: Gemüsetelegramm für Weihnachten
Knuspriger Braten, dazu Gemüse als Beilage? Umgekehrt wird ein Schuh draus! Wir fangen mal beim Gemüse an – vielleicht reicht das ja auch schon. Dreizehn Ideen mit Rotkohl und Karotten, Schwarzwurzel und Kürbis für ein buntes Weihnachtsessen
Von Lisa Shoemaker
Was gehört zu einem weihnachtlichen Festmahl? Viele denken gleich an einen lecker knusprigen Braten, an eine Gans oder einen Karpfen. Genau darin aber sehen andere zunächst einmal ein ganzes oder zerstückeltes totes Tier. Um Streitigkeiten vorzubeugen, bietet es sich an, das Augenmerk auf die Dinge zu richten, die alle gerne essen. Man kann nämlich mit saisonalem Gemüse auch richtig auffahren.
In Polen ist es Tradition, am Heiligabend zwölf Gerichte zu servieren – für jeden Apostel eins. Die sind nicht durchweg vegetarisch, aber wir entlehnen das Prinzip einmal: Hier sind – im Telegrammstil – zwölf Ideen für Wintergemüse, und als Bonus eine weitere für Jesus.
In Polen steht am Heiligabend übrigens immer Sauerkraut auf dem Menü. Allerdings kein fleischlastiges Bigos, da an Wigilia nur Fisch gegessen werden darf. Ausgerechnet Bigos musste ich einmal für Veganer kochen. Mir fiel nichts Originelleres ein, als das Fleisch durch Räuchertofu zu ersetzen, und mit den anderen Bigoszutaten wie Zwiebeln, getrockneten Steinpilzen, Wein, Wacholder, Piment, Kümmel und Lorbeer im Kraut zu schmoren. Das Resultat schmeckte okay, aber etwas lahm. Da erinnerte ich mich an ein spanisches Gericht mit Rotkohl, Rotwein, Knoblauch und Chorizo. Ob nicht ein wenig Pimenton de la vera, geräuchertes, spanisches Paprikapulver, für den richtigen Kick sorgen könnte? Bingo! Es passt großartig.
Unfermentierter Weiß-, Spitz- oder Chinakohl, fein geschnitten und mit Zitronensaft, Olivenöl, Minze und Granatapfelkernen angemacht, ergibt einen erfrischenden Salat. Für beste Ergebnisse sollte man den gehobelten Kohl salzen und ein paar Stunden ziehen lassen.
Wem die rubinroten Farbtupfer des Granatapfels nicht reichen, greift zur Roten Bete, und bringt so mehr Farbe ins Essen. Der Milchladen am Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg hatte mich durch einen schrill gefärbten, herzhaften Quark namens Pink Flamingo inspiriert, woraufhin ich mir im Reformhaus ein Fläschlein Rote-Bete-Saft besorgte und gnadenlos alles rosa färbte: Zaziki, Kren, Kartoffelpüree. Hummus wird übrigens auch poppig pink, wenn man eine gekochte Rote Bete hineinreibt. Am besten ist die Rote Bete jedoch, wenn sie sich mit ihrer Traumpartnerin, der Orange (Saft und Abrieb), zum Salat paart, ergänzt durch Apfel, Balsamico, Olivenöl, Frühlingszwiebeln und Koriander oder Minze.
Orange muss übrigens die Lieblingsfarbe von Gemüsezüchtern sein. Weder Karotten noch Süßkartoffeln waren nämlich ursprünglich orange. Geraspelte Karotten schmecken als Rohkost mit Gomasio (Salz und Sesam), Olivenöl und Sojasauce. Oder marokkanisch mit Orange, Walnüssen, Rosinen, Dattelsirup, Zitronen. Außerdem lieben sie Kreuzkümmel: blanchiert und anschließend in Öl oder Butter mit Kreuzkümmel karamellisiert.
Süßkartoffeln gibt es bei uns zu Thanksgiving als Stampf, der mit Zitronensaft, Ahornsirup, Butter abgeschmeckt wird. Traditionell wird das dann mit Marshmellows (!) überbacken. Nicht mein Fall. Ganz einfach ist eine Art Gratin: Ungefähr ein Kilo Süßkartoffelscheiben in eine Auflaufform geben, den Saft einer Zitrone und Olivenöl darüberträufeln, mit ein paar Zweigen Thymian, einer kleinen Handvoll geriebenem Parmesan mischen, mit eben soviel Parmesan bestreuen (nicht zu viel!) und ab in den Ofen, bis die Kartoffeln weich sind.
Flott fertig: Kürbissuppe
Last not least im Reigen orangefarbenen Gemüses ist der Kürbis. Eine Kürbissuppe könnte man schon fast instant nennen, so wenig Arbeit macht sie: Man schneidet einen Hokkaido in Stücke, es ist nicht einmal nötig, ihn zu schälen. Dann rührt man eine Marinade aus Öl und reichlich Curry (Pulver oder Paste) an und wendet die Stücke darin. So kommen sie dann kurz in den Ofen. Anschließend mit einer Brühe in einem Topf aufkochen. Pürieren, abschmecken. Fertig. Wer mag, verfeinert die Suppe noch mit Kokosmilch, Ingwer und Knoblauch.
Aufwendiger, dafür aber auch als Hauptgericht für Vegetarier und Veganer geeignet, ist ein Kürbisflan im Mangoldmantel. Dazu gebackenen Kürbis zerstampfen (besser nicht pürieren, sonst ähnelt er zu sehr Babybrei) und würzen: Muskat, weich geschmorte Zwiebeln, gebratene Pilze, Sojasauce, Harissa. Veganern muss es jetzt schon schmecken, Vegetarier dürfen mit Parmesan weiterwürzen und pro 200 g Kürbispüree ein Ei untermischen. Die gut gefetteten Vertiefungen einer Muffinform mit blanchierten Mangoldblättern (Spinat geht auch) auslegen – die Blätter müssen überlappen, damit man den Flan am Ende verschließen kann. Das Püree einfüllen, die überhängenden Blätter einklappen und backen, bis die Eier gestockt sind. Vorsichtig herausnehmen, vor allem die veganen Flans sind recht weich.
Mehr Mühe machen Schwarzwurzeln, denn sie sondern beim Schälen einen klebrigen Saft ab und werden schnell – wirklich schnell – braun. Daher ist es ratsam, sie nach dem Schälen gleich in gesäuertes Wasser zu legen, die braunen Punkte kann man zunächst ignorieren. Wenn alle geschält sind, die Hände säubern. Die Wurzeln in frisches Wasser legen und unansehnliche Stellen kurz mit einem sauberen Schäler bearbeiten. Gekocht ergeben sie eine samtige Suppe, wenn sie in einer nicht zu dicken Béchamelsauce (mit Milch und dem Kochwasser der Schwarzwurzeln gemacht) püriert werden. Zum Servieren geschmorte Pilze (mit Sojasauce und Petersilie) in die Mitte des Tellers setzen und mit Schnittlauch bestreuen. Auch gut ist Geräuchertes, je nach Vorliebe Fisch oder Tofu.
Zu guter Letzt die Bonus-Idee: die gegarten Schwarzwurzeln mit den geschmorten Pilzen in Blätterteig backen, dazu eine Schnittlauchsauce servieren.
Und die Fleischesser? Für die kann man eine Kleinigkeit extra bereithalten. Wer angesichts solcher Gemüsepracht bescheiden an einer Gänsekeule nagt, wird in dieser stillen Nacht den Tischfrieden nicht stören.
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