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Die Zukunft entzweit die SPD

SPD-Chef Müntefering erteilt beim Landesparteitag einer Koalition mit der Linkspartei eine deutliche Abfuhr. Doch Klaus Wowereit bleibt dabei: Eine Zusammenarbeit könnte nach der übernächsten Bundestagswahl möglich sein

Eigentlich wird sich in Wahlkampfzeiten parteiintern nicht gezofft. Daher lautete das Credo der Berliner SPD gestern auf ihrem außerordentlichen Parteitag: auf Landesebene mit der Linken, auf Bundesebene auf keinen Fall. Damit dürfte das Verhältnis der SPD zur Linkspartei geklärt sein. Doch dem war nicht so. So harmonisch sich die 300 GenossInnen geben wollten, der Streit ist alles andere als vom Tisch.

Begonnen hatte alles damit, dass der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sich in den vergangenen Tagen gleich mehrmals für eine grundsätzliche Zusammenarbeit mit der umbenannten PDS auf Bundesebene aussprach, zwar nicht für die anstehende Legislaturperiode, aber vielleicht ab 2009. Und so ganz unrecht hat er nicht, wenn er zur Begründung anführt: Angesichts der dynamischen Veränderungen in der bundesrepublikanischen Politik könne ja niemand so recht beurteilen, wie sich die Situation in den kommenden Jahren entwickeln wird.

Kanzler Gerhard Schröder kann es anscheinend schon. Der rügte den Regierenden Bürgermeister für diese Äußerung und nannte das Verhalten Wowereits „ärgerlich“. So war es nicht verwunderlich, dass auch der Bundesvorsitzende Franz Müntefering gestern auf dem Landesparteitag keinen Blatt vor den Mund nahm. In einer kämpferischen Rede rief er den Delegierten im Congress Center zu, dass es keine Zusammenarbeit auf Bundesebene geben wird: „Jetzt nicht und ich weiß auch nicht, ob überhaupt irgendwann.“

Von 2009 war in Wowereits anschließender Ansprache zwar nicht mehr die Rede, inhaltlich rückte er aber nicht im geringsten von seiner Position ab. Zynisch antwortete er: „Die Parteivorsitzenden haben natürlich Recht, und sie geben die Richtung vor. Alle anderen haben gerade in Wahlkampfzeiten sich dahinter einzuordnen.“ Allerdings sei die Koalitionsdebatte derzeit gar nicht aktuell. Die Zukunft bleibt folglich offen.

Auch die Parteibasis war geteilt. „Finde ich nicht in Ordnung vom Wowi“, sagte Karl-Heinz Füllberg vom SPD-Kreisverband Wedding. Er habe die Koalition mit der „SED-Nachfolgepartei“ auf Landesebene bereits als Fehler empfunden. Knut Adrian aus Reinickendorf hingegen bemüht sich um eine „differenzierte“ Betrachtung. Die PDS im Bund sei einfach eine andere als im Senat. Gerade die aus Westdeutschland hätten kein Verantwortungsbewusstsein. Der Streit ist also keineswegs geschlichtet.

Nur bei der anschließenden KandidatInnenkür für die Landesliste ging es weitgehend harmonisch zu. Immerhin 91,9 Prozent stimmten für Bundestagspräsident Wolfgang Thierse an der Spitze. Und auch bei Petra Merkel (Platz 2) und SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter (Platz 3) waren sich die GenossInnen einig. Erst bei Platz 5 kam es zu einer Kampfabstimmung. Hier unterlag der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Ditmar Staffelt, dem Bundestagsabgeordneten Swen Schulz. Landesparteichef Michael Müller hatte sich zuvor noch energisch für Staffelt eingesetzt. Die SPD-Linke Swen Schulz wirft Staffelt vor, als damaliger Fraktionsvorsitzender sei er am Bankenskandal beteiligt gewesen.

Mit der Wahlschlappe dürfte Staffelt weg vom Fenster sein. Denn angesichts der bevorstehenden SPD-Wahlniederlage sind für den Einzug in den Bundestag nur noch die ersten fünf Listenplätze sicher. Zwar bemüht sich Staffelt noch um das Direktmandat in Neukölln. Aber auch dort werden ihm geringe Chancen eingeräumt. In den Wahlkreisen droht der SPD nämlich ein ähnliches Malheur. Aktuellen Umfragen zufolge werden sie am 18. September nur noch zwei Direktmandate in Berlin holen. Vor drei Jahren waren es noch neun. FELIX LEE

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