: Jazz minus Angeberei plus Funk
Das junge Berliner Jazzensemble Wanubalé verbindet die musikalische Komplexität des Jazz mit der Körperlichkeit von Funk, Soul und Broken Beats. Ihr Credo: Alle sollen mittanzen. Ein Porträt über die neuen Stars der Szene
Von Stephanie Grimm
Wanubalé: Angeblich heißt das in der ostafrikanischen Sprache Swahili Bruder. So genau weiß Philip Schilz, einer der beiden Schlagzeuger des gleichnamigen Berliner Combo, das allerdings auch nicht. Es wurde einfach mal von jemandem aus dem Publikum behauptet.
Der tatsächliche Hintergrund des Bandnamens ist jedoch längst nicht so exotisch. Ausgedacht haben sich ein paar der Jungs, die in diesem neunköpfigen Jazzensemble zusammenspielen, das Wort nämlich auf dem Schulhof, damals, als sie einen Namen suchten, für das funkig-soulige Projekt, dass sie kurz vor ihrem Abitur am Musikgymnasium Carl Philipp Emanuel Bach in Berlin-Mitte ins Leben riefen – einfach weil es gut klang. Erst waren da die Silben „Nuba“, damit haben sie herumgespielt.
Das ist mittlerweile drei Jahre her: Seither haben Wanubalé unter anderem im vergangenen Jahr bei den Düsseldorfer Jazztagen den renommierten Sparda Jazz Award gewonnen, gefeierte Konzerte gespielt und ihr Album-Debüt „Phosphenes“ herausgebracht.
Die Geschichte, wie die Band zu ihrem Namen kam, ist jedoch symptomatisch für die organische Herangehensweise, mit der die Band zum heißen Scheiß der hiesigen Clubjazzszene geworden ist. Sie sind offenkundig ziemlich gut darin, sich gegenseitig die Bälle zuzuspielen und instinktiv bei produktiven Synergieeffekten zu landen.
„Vielleicht ist man im Kollektiv einfach ein bisschen schlauer“, sagt Schilz im Telefoninterview über ihre Arbeitsweise. Den jeweiligen Solisten Raum zu geben, ihre Fähigkeiten ins Licht zu stellen – das ist erklärtermaßen nicht das Konzept ihrer Instrumentalband. Die Musiker von Wanubalé betonen nicht, was sie alles draufhaben. Eher spielen die neun Bandmitglieder ihre Jazzskills bewusst ein bisschen herunter – auch wenn der Großteil der zwischen 20 und 23 Jahre alten Musiker ihr Instrument inzwischen studieren, teils am Jazz-Institut Berlin, teils in anderen Städten.
Letztlich geht es ihnen vor allem um die Wirkung auf das Publikum, die sie schon beim Schreiben der Arrangements bedenken: „Es geht darum, Musik zu machen, die jeden zum Tanzen bringen kann – auch die Leute, die nicht verstehen, was da harmonisch abgeht. Wir machen eben nicht die Art von Jazz, bei dem es um den Moment geht, an dem ein Solist zeigt, was er draufhat. Uns geht es um den Bandsound“.
Vieles von dem, was in der Jazzszene passiert, sei eine Art „selbsterhaltender“, elitärer Kreis. Wenn man in Berlin auf ein Jazzkonzert geht, kennt man dementsprechend jeden im Publikum“ – was ja durchaus okay sei, man spiele ja teils selbst in puristischeren Projekten. Doch mit Wanubalé wollen sie etwas anderes.
„Dass wir nicht in diese andere Schiene abgerutscht sind, haben wir wohl vor allem unserem Freundeskreis zu verdanken. Die sind größtenteils eben keine Musiker, sondern DJs, Plattensammler oder sie machen etwas ganz anderes.“
Besagter Bandsound besteht aus einer eingängigen und dabei trotzdem recht eigenen Mischung aus Jazz, Broken Beats, Funk, Soul, fusioniert in Songs, die einen hohem Wiedererkennungswert hat. Und die, obwohl sie instrumental sind, oft eine Geschichte erzählen. Verstärkt wird dieser Effekt dadurch, dass sie Songs recht sprechende Titel tragen, das leicht gehetzte, dabei aber urban groovende „U9 by bike“ (ihre Strecke zwischen Uni und Proberaum) oder die Anmutung flirrenden Sonnenlichts, das durch die Afrobeat-Gitarre in den Song „Strange Heat“ gebracht wird.
Es hat ein bisschen gedauert, bis dieser Clubjazz auch in Berlin seine Szene fand, anders als etwa in London, wo das Genre schon eine ganze Weile floriert. Auch wenn es hier bereits in den 90er Jahren Nischen wie die des Jazzanova-Labels gab (in deren Studio Wanubalé übrigens ihr Debüt aufgenommen haben). Mittlerweile ist die Szene auch hierzulande eine vitale: Dieser Umstand bereichert nicht zuletzt das Studienumfeld der Wanubalé-Mitglieder, weil Musiker mit ganz unterschiedlichen Hintergründen aufeinandertreffen: jene, die sich etwa über den Hiphop an den Jazz herangetastet haben, aber eben auch die, die auf traditionelleren Jazz abfahren, wie etwa Schilz, der schon in sehr jungen Jahren sein Herz für Bebop aus den 1950er Jahren entdeckte.
In ihrem Bandkollektiv soll Raum für unterschiedliche Herangehensweisen sein. „Die Idee ist, dass wir alles ausprobieren, was irgend jemand vorschlägt, und allen Ideen gegenüber offen sind – auch wenn es aus praktischen Gründen doch meist die Rhythmus-Sektion ist, die sich trifft und versucht aus kleinen Skizzen und Ideen zusammen einen Song zu bauen.“
Meistens sei es der Pianist Moses Yoofee Vester, der mit einer Idee kommt. „Wir treffen uns erst zu fünf, machen den Track im Groben fertig und treffen uns dann zu neunt, um an den Feinheiten zu arbeiten.“ Wie das auf der Bühne wirkt, das darf man demnächst im Yaam erleben – neben dem Gretchen Club, der das in ihrer Nische vielleicht ambitionierteste Booking der Stadt macht, ist der Club einer der Berliner Orte, von dem sich die Bandmitglieder auch privat inspiriert fühlen – „und an dem sie gefühlt an jeden Wochenende abhängen“.
Am gleichen Abend spielt die Afro-Funk-Combo London Afrobeat-Collective, die sich ebenfalls darauf versteht, ihr Livepublikum da abzuholen, wo es steht. Nur verbinden sie das Ganze mit politischem Sendungsbewusstsein und einer sozialen Botschaft.
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