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Galerie im Tempelhof MuseumSchrift unter Schrift – Bild unter Bild: Abdul Karim Majdal Albeik und Yaser Safi

„From a diary“ (2016) heißt Yaser Safis Serie von Radierungen. Die schwarz-grauen Szenen im Tempelhof Museum, auf denen sich amorphe, ausdrucksstarke Figuren und Köpfe abzeichnen, stammen also aus einem Tagebuch. So ist das Zeugnis persönlicher Niederschriften bei Safi mit unbestimmtem Artikel überschrieben und ordnet nicht zu, wessen Gedanken sich hier spiegeln. Seine Radierung im zweiten Raum lässt ebenso offen, wofür die ab­strakten Formationen stehen, die sich im Bauch der zentralen Figur mit Zipfelmütze tummeln und die die Feinheit der Kratztechnik herauskehren. In seiner Filigranität wirkt dieses Innere ganz und gar leichtfüßig. Oder rutscht es doch den Knien entgegen, die langsam weich werden, während sich rechts eine düstere Fläche zusammenbraut? Umso bunter Safis Gemälde „Wrestler“ und „Ten minutes“ (je 2018). Doch auch unter diesem Spielerischen wallt ein Geflecht aus Linien, die Farbe legt sich in Münder, so als sei auch sie ein simple Aussagen verdrängendes Chiffre. Das Verfahren des Kratzens und Unterlegens ist auch Abdul Karim Majdal Albeik eigen. Bei ihm steht jedoch eine andere Form des Tagebuchs im Fokus: Das Einritzen von Nachrichten und Gedanken in Wände und Mauern im öffentlichen Raum, die er aus Syrien erinnert. Nicht alles bleibt leserlich auf diesen steinernen Palimpsesten, das Wetter erzeugt Risse und unterwandert das Hinterlassene, Neues überschreibt Altes. Indem der Künstler solche Formen und Strukturen kopiert und per Gips, Farbe und Ruß für Arbeiten wie „Wall“ (2019) auf Leinwände überträgt, erschafft er eine besondere Form der transnationalen Übertragung, die diese Archiv gewordenen Wände würdigt, die längst nicht mehr nur der Zerstörungskraft des Wetters ausgesetzt sind. Die vielsprachigen Gedichte schließlich, die er als Cluster aus Leinwänden zusammenbringt, drängen ihre Buchstaben zwischen den Schluchten in der Struktur hindurch an die Oberfläche. nym

Bis 12. 1., Mo.–Do. 10–18 Uhr, Fr. 10–14 Uhr, So. 11–15 Uhr, Alt-Mariendorf 43

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