piwik no script img

Den Irakkrieg konnte auch sie nicht verhindern

Wo Geheimdienste UN-Resolutionen durchsetzen: „Official Secrets“ erzählt die Geschichte der Whisteblowerin Katharine Gun

Die Wahl zum Wort des Jahres steht noch aus. Gute Chancen dürfte jedoch der Begriff „Whistleblower“ haben, der momentan in aller Munde ist: Edward Snowdens Autobiografie steht auf den Bestsellerlisten; diese Woche schreibt der Spiegel unter dem Titel „Im Dienst der Wahrheit“ von der Macht und Tragik dieser – je nach Sichtweise – Aufklärer beziehungsweise Geheimnisverräter. Demnächst läuft Johannes Nabers Film „Curveball“ an, eine Geschichte über den mit diesem Codenamen bedachten Exiliraker, der die falschen Informationen über angebliche Massenvernichtungswaffen lieferte, die dann den völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Irak legitimierten. Einen anderen Aspekt dieser Lügen, die die westlichen Demokratien immer noch belasten, beschreibt nun auch Gavin Hoods Politthriller „Official Secrets“ mit Keira Knightley in der Hauptrolle, stoischer Blick inklusive.

Angriff auf den Irak

Knightley spielt Katharine Gun, die Anfang der nuller Jahre Übersetzerin beim GCHQ war, einem der britischen Geheimdienste. Dort kam ihr eine Direktive auf den Tisch, die britische Agenten dazu aufforderte, Mitglieder des Weltsicherheitsrats auszuspionieren. ­Prinzipiell aus der Sicht eines Spions natürlich keine große Sache, doch was Gun mehr als irritierte, war das Ziel des Ganzen: In einer gemeinsamen Aktion setzten die Regierungen der USA und Großbritanniens, damals unter den Herren Bush Jr. und Blair, alles, aber auch alles, daran, eine UN-Resolution durchzusetzen, die einen Angriff auf den Irak rechtfertigen würde. Nicht nur, aber auch weil sie mit einem irakischen Kurden verheiratet war, hatte Gun erhebliche Zweifel an der Legitimation dieses Krieges und fasste somit einen folgenschweren Entschluss: Sie kopierte die Direktive und gab sie an eine befreundete Journalistin weiter.

Was dann passierte, zeichnet Hood in fast dokumentarischer Genauigkeit nach, beschreibt die Strukturen der Presse, der Machenschaften der Regierungen, aber auch die grundlegenden Tugenden des britischen Systems, ja, der britischen Seele. Ein wenig verklärt mutet es an, mit welchem Stoizismus Gun sich nicht beirren lässt, wie das Gute siegt, auch wenn der Krieg bekanntermaßen nicht verhindern werden konnte und eine humanitäre Katastrophe begründete, deren Folgen als IS und Flüchtlingsproblematik auch heute noch zu spüren sind.

Umso wichtiger sind Menschen, die sich nicht scheuen, von manchen – anfangs vielleicht auch vielen – als Verräter bezeichnet zu werden und ihr Wissen über dunkle Machenschaften des Staats oder auch von Wirtschaftsunternehmen an die Öffentlichkeit zu bringen. Diesen Whistleblowern setzt „Official Secrets“ ein Denkmal, nicht unbedingt subtil, aber mitreißend. Michael Meyns

„Official Secrets“. Regie: Gavin Hood. Mit Keira Knightley, Matt Smith u. a. USA/Großbritannien 2019, 112 Min.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen