Belastung durch Blockheizkraftwerke: Lärm in den Knochen

Das Bremer Wohnungsunternehmen Gewoba rühmt sich, energiesparende Blockheizkraftwerle einzubauen. Über mögliche Gesundheitsschäden weiß es nichts.

Eine Frau steht im Keller ihres Hauses und stellt ihr Mini-Blockheizkraftwerk ein.

Nicht von der Gewoba, sondern vom Stromanbieter Lichtblick: Mini-Blockheizkraftwerk in Bremer Keller Foto: dpa

BREMEN taz | 20 Blockheizkraftwerke betreibt das städtische Wohnungsbauunternehmen Gewoba bereits in seinen Gebäuden. In diesen Anlagen wird Abwärme aus Heizanlagen in Strom verwandelt – eine effektive Maßnahme zum Energiesparen.Der Haken: Blockheizkraftwerke können wie Windräder, Luft-Wärme-Pumpen sowie normale Kühl- oder Heizanlagen tieffrequenten Lärm, auch Infraschall genannt, erzeugen.

Das sind so niedere Frequenzen, dass der menschliche Körper sie entweder gar nicht wahrnehmen kann – oder als Vibrationen über die Knochen. Der Lärm wird verdächtigt, für Gesundheitsschäden verantwortlich zu sein, von Schlafstörungen und Tinnitus über Depressionen und Angststörungen bis hin zu Herzschäden. Auch das Risiko von Fehl- und Frühgeburten kann erhöht sein. Das Robert Koch Institut hat auf diese Gefahren bereits 2007 aufmerksam gemacht und einen „großen Handlungs- und Forschungsbedarf“ angemahnt.

Doch passiert ist seitdem so gut wie nichts. Das liegt daran, dass das politische und öffentliche Interesse gering ist, weil strengere Grenzwerte die Energiewende gefährden könnten. Derzeit gibt es – anders als bei höheren Frequenzen – keine Grenzwerte beziehungsweise keine Grundlage, anhand derer Grenzwerte festgelegt werden könnten.

Die Gewoba hat eine grobe Vorstellung von der Problematik. Der Lärm könne „zu Unwohlsein, Müdigkeit und auch zu Konzentrationsstörungen führen“, schreibt eine Sprecherin der taz jetzt. Und verweist auf einen „sehr sinnvollen Leitfaden des Umweltbundesamtes“.

Starke Zunahme potenzieller Belastungsquellen

In der vor zweieinhalb Jahren erschienenen Broschüre rechnet das Umweltbundesamt (UBA) vor, dass die Anzahl potenzieller Belastungsquellen in den kommenden Jahren stark zunehmen wird – vor allem in Neubaugebieten. Es benennt grundsätzliche Defizite im Umgang mit dem Thema. Unter anderem: „Hinsichtlich tieffrequenter Geräusche fehlt es an wissenschaftlich gesicherten Grundlagen über die Wirkungsgrenzen.“ Politik und Verwaltung seien dazu aufgefordert, diese zu erarbeiten.

Die Gewoba hält sich für vorbildlich in der Minimierung der Gefahren. „In den Bestandsgebäuden lassen wir im Vorwege zur Planung Schalluntersuchungen von einem Sachverständigen durchführen, um die notwendigen Schalldämmmaßnahmen mit zu projektieren“, heißt es in der Mail. Und weiter: „Neubauten können direkt auf die schalltechnischen Anforderungen hin ausgebildet werden.“

So würden etwa vier Blockheizkraftwerke in der neu errichteten „Gartenstadt Werdersee“ westlich des Friedhofs in Huckelriede in Gewoba-Gebäude in den Kellergeschossen eingebaut. „Die Technikräume werden auf die Schallanforderungen der eingesetzten Technik abgestimmt. Die motorgetriebenen Anlagen werden schallentkoppelt installiert.“

Das Problem ist nur: Gegen tieffrequenten Lärm helfen keine der üblichen Schallschutzmaßnahmen, weil sich die Schallwellen in diesem Frequenzbereich anders ausbreiten und auch in weiter Entfernung häufig noch genau so wirken wie in geringerer Entfernung zur Lärmquelle. Das steht auch in dem sehr zurückhaltend und verklausuliert formulierten UBA-Leitfaden. Liest man diesen zwischen den Zeilen, wird deutlich, dass Gegenmaßnahmen nur wirksam sind, wenn diese an der Lärmquelle ansetzen. Wozu aber erst einmal klar sein müsste, in welchem Frequenzbereich die Emissionen gesundheitsschädlich sind.

Mangelhafte Forschungslage

Wegen der mangelhaften Forschungslage werden Menschen häufig nicht ernst genommen, die über Beschwerden klagen und sie tieffrequentem Lärm zuordnen oder sagen, sie könnten ihn als Vibrationen spüren. Wie hoch dieser Anteil in der Bevölkerung ist: völlig unbekannt. Zudem kommen Beschwerden häufig von erbitterten Windkraftgegner*innen, was eine sachliche Auseinandersetzung erschwert.

Stattdessen wird Geschädigten bescheinigt, dass ihre Negativeinstellung gegenüber Windkraft die Beschwerden hervorrufe. Zu diesem Nocebo-Effekt gibt es Studien, wie das Ärzteblatt in diesem Jahr schrieb. Dort heißt es auch: „Allerdings erklärt die Psyche die Beschwerden vermutlich nicht allein. Immer öfter zeigen Beobachtungen an den unterschiedlichsten Organen, dass es messbare Effekte von Infraschall gibt.“

Nun haben Blockheizkraftwerke weitaus weniger Potenzial als Windkraftanlagen, auf Abneigung bei Nachbarn zu treffen. Dennoch hatte die Gewoba in der Vergangenheit schon Beschwerden von Mieter*innen, wie sie der taz bestätigte. Wie und ob die Probleme gelöst werden konnten, sagt sie nicht.

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