: Wintergemüse neu entdeckt
Mit überraschenden Kombinationen und Rezepten durch die kalte Jahreszeit kommen
Schwarzwurzeln mit Granatapfel, Rotkohlsuppe, zum Nachtisch karamellisierter Chicorée mit Blutorangen, Blauschimmelkäse und Früchtekuchen – wow! Gute Gemüsegerichte sind mein Hauptauswahlkriterium für den Erwerb eines Kochbuchs. Selten hat mich eines so schnell elektrisiert wie Paul Ivić’ Winterküche. Das Buch tappt nicht in dieselbe Falle wie viele Bücher zum Thema, nämlich eine schwere, meist fleischlastige Kost zu präsentieren. Es ist vegetarisch, und im Fokus steht einheimisches Wintergemüse: Petersilienwurzel, Topinambur, Pastinake, und wenn Rettich, dann der schwarze, der im Winter geerntet wird.
Ivić paart seine einheimischen Bioprodukte mit Gewürzen, Kräutern, Zitrusfrüchten oder auch Miso. Er setzt den Sud mit Kaffirlimettenblättern an. Der Küchenchef des Tian in Wien – eines der wenigen vegetarischen Restaurants, die einen Michelin-Stern tragen – weist den Weg zu einer wirklich nachhaltigen modernen Küche, die Lokales mit kleinen Mengen weitgereister Ingredienzen kombiniert. Die 70 Rezepte bewegen sich zwischen bodenständig, gehoben und inspiriert von entfernteren Küchen: Buchteln mit Port und Steinpilzen neben Churros aus Kartoffeln und Kräutern, Udon-Suppe mit Tee-Eiern neben cremiger Petersilienwurzelsuppe. Die Anleitungen sind präzise und schnörkellos formuliert und sollten von jedem, dessen Kochkünste über Spiegelei und Pellkartoffeln hinausreichen, mühelos zu befolgen sein. Der Kohlkopf wird im Ganzen im Ofen gegart, der Blumenkohl offen und schön gebräunt, der Weißkohl in Folie gehüllt, dann in Scheiben geschnitten und gebraten. Viele Rezepte bestehen aus mehreren Komponenten. Aber das sollte nicht abschrecken. Werden sie in der Reihenfolge wie aufgeführt nachgekocht, reicht die Zeit, in der die Petersilienwurzeln im Ofen konfieren, das Chutney, die Creme und den Sud anzusetzen – wenn man die Zutaten zuvor bereitgelegt hat.
Viele dieser Komponenten kann ich mir auch in einem anderen Kontext vorstellen, wie etwa die Tee-Eier oder die Curry-Mayonnaise. Oder sie lassen sich wie das Traubenchutney vorkochen. So werden aus den 70 Rezepten des Buchs noch etliche mehr. Bereits in der Einleitung fordert Ivić seine Leser auf, selbst zu experimentieren, ein Gewürz oder ein Gemüse durch ein anderes zu ersetzen und so das Rezept in ein eigenes zu verwandeln. Lisa Shoemaker
Paul Ivić: „Vegetarische Winterküche“. Brandstätter Vlg. 2019, 192 Seiten, Hardcover 29,90 Euro, eBook 21,99 Euro
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