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Archiv-Artikel

Rückbildung für verwaiste Mütter

GESUNDHEIT Rückbildungsgymnastik tut allen gut, die eine Schwangerschaft hinter sich haben. Wer ein Kind verloren hat, ist aber unter Müttern schlecht aufgehoben. Jetzt gibt’s ein neues Angebot

30 Kinder starben in der Stadt Bremen im Jahr 2011 vor ihrem ersten Geburtstag

Seit Jahren bietet die Bremer Aqua-Fitness-Trainerin Claudia Wendt ihre Rückbildungskurse für Mütter im Wasser an. Nach der Geburt sollen spezielle Übungen den Beckenboden kräftigen, den Schwangerschaft und Geburt geschwächt haben. Es geht nicht nur ums Turnen, sondern zwischendurch auch um den ersten Brei, das erste Lächeln, die ganzen ersten Male im Leben mit dem Neugeborenen.

Solche Gespräche halten Frauen, die sich in derselben Lebenssituation befinden, gut aus. Was aber ist mit denen, die ihr Kind verloren haben? Und die ihren Beckenboden und andere während der Schwangerschaft vernachlässigte Muskeln genauso wieder in Form bringen wollen wie frisch gebackene Mütter?

30 Kinder starben in der Stadt Bremen 2011 vor ihrem ersten Geburtstag, 18 von ihnen innerhalb der ersten 28 Tage nach der Geburt. Hinzu kommen 24 Kinder, die tot zur Welt kamen. Nicht statistisch erfasst werden Fehlgeburten, bei denen das Kind weniger als 500 Gramm gewogen hat.

Einmal, erzählt Claudia Wendt, habe sie eine Frau im Kurs gehabt, deren Kind eine Stunde nach der Geburt gestorben war. „Die Übungen haben ihr sichtlich gut getan, aber immer, wenn es um die Kinder ging, ist sie raus gerannt.“ Zeitgleich las die Aqua-Fitness-Trainerin über Hamburger Rückbildungsgruppen für verwaiste Mütter und suchte nach Vergleichbarem in Bremen. Dabei stieß sie auf Maria Schultz-Brunn. Sie war bisher die einzige, die hier eine solche Gruppe anbietet – und derzeit pausiert, weil sie selbst schwanger ist. „Ich weiß von den Frauen aus meinen Kursen, dass sie Schwangere meiden“, sagt die frei berufliche Hebamme. Bei der Suche nach einer Kollegin, die sie in dieser Zeit vertritt, blieb sie erfolglos. „Das wollte niemand machen, weil das Thema so schwer erscheint.“ Schultz-Brunn ist ein solcher Impuls nicht fremd. „Mit Tod und Sterben beschäftigen wir uns im Alltag selten.“ Deshalb hatte sie sich zur Vorbereitung im Hospiz zur Trauerbegleiterin weiter gebildet. „Es war mir wichtig, mich mit dem Thema Tod auseinander zu setzen, aber es ist ganz klar, dass es bei mir um Turnen und Entspannung geht.“

Ähnlich hat auch Claudia Wendt ihre Wasser-Kurse konzipiert. „Der Schwerpunkt ist die Rückbildung, aber wir werden wie in den anderen Gruppen auch reden.“ Für den Fall, dass eine Frau mehr braucht, als sie bieten kann, wird Wendt sie an Expertinnen wie die des Vereins „Verwaiste Eltern und Geschwister“ vermitteln.

Wichtig ist Wendt – deren andere Kurse so beliebt sind, dass es Wartelisten gibt – auch die Entspannung, für die sie sich eine halbe Stunde Zeit nimmt. Die Termine hat sie so gelegt, dass die Teilnehmerinnen weder vorher noch hinterher auf Schwangere, Babies oder Mütter treffen.

Anmelden können sich alle, die ein Kind verloren haben, auch wenn das schon Monate zurück liegt. Keine Rolle spielt bei beiden Anbieterinnen, wie früh ein Kind gestorben ist. „Das ist egal, ob eine Frau zehn Wochen oder neun Monate schwanger war, in beiden Fällen hat der Körper eine Schwangerschaft hinter sich und muss sich regenieren“, sagt die Hebamme. Bei Betreuungen von verwaisten Frauen im Wochenbett hat sie erlebt, dass es gerade für diese wichtig ist, sich mit ihrem Körper zu beschäftigen. „Die lehnen den oft ab und mögen ihren Bauch nicht berühren, weil sie glauben, ihr Körper sei nicht in der Lage gewesen, das Kind zu beschützen.“

Auch wer eine Schwangerschaft abgebrochen hat, ist willkommen. „Ich weiß, dass das nicht einfach sein kann für eine Frau, die ein Kind gerne bekommen hätte“, sagt Claudia Wendt. „Aber das gemeinsame Thema ist die Trauer.“EIKEN BRUHN

Kursbeginn: 7. September. Information unter ☎ 6160203 oder www.zeela-aquapaedagogik.de. Kontakt Maria Schultz-Brunn: www.hebammerei-bremen.de