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press-schlagDas 30-Punkte-Versprechen

Moritz Wagner macht ein gutes Spiel und wird schon wieder mit Dirk Nowitzki verglichen. Ernsthaft?

Dass einem 21-Jährigen in seiner Heimatstadt ein Denkmal errichtet wird, ist eher ungewöhnlich. Im Fall von Moritz Wagner handelt es sich um ein Mural, also ein großes Wandgemälde, das über einem Basketball-Freiplatz im Winsstraßen-Kiez (Prenzlauer Berg) auf den Verputz gepinselt wurde. Dieses Bild des mit Ball heranfliegenden Moe, so sein Spitzname, ist ob seiner außergewöhnlichen Dimensionen ein Versprechen auf die Zukunft. Ein Versprechen, das Wagner aber erst noch einlösen muss, um nicht als Hochstapler oder zu früh hochgejazzter Jungstar zu gelten.

Im vergangenen Jahr waren sich Berliner Basketballfans nicht mehr so sicher, ob sich ihr Eigengewächs in der NBA durchsetzt. Es hatte den ehemaligen Berliner Albatros nach einer College-Station in Michigan zu einem der NBA-Dickschiffe verschlagen: zu den Los Angeles Lakers. Doch der junge Deutsche mit den vielversprechenden Anlagen tat sich schwer. Er verdiente gut, fuhr nun einen dicken SUV, lebte in einer Welt materieller Vollversorgung, doch die Ansprüche und das Klima in der besten Liga der Welt zermürbten ihn ein wenig, da halfen auch melancholische Serienmarathons („Friends“) wenig. Wagner wurde, schneller als ihm lieb sein konnte, bewusst, dass er in Los Angeles nur ein Spielball der Ambitionen von LeBron James ist, des All-Stars, der sich nicht wirklich für den Aufstieg junger Talente aufs höchste Niveau interessiert, sondern nur für Titel.

Von Küste zu Küste

Die Lakers verpassten die Play-offs, ließen die restliche NBA-Saison zum Missfallen von Wagner dahinplätschern, im Hintergrund arbeitete das Management daran, James einen titelwürdigen Kameraden an die Seite zu stellen. Man fand ihn in Anthony Davis. Wer jetzt nicht mehr an der Westküste gebraucht wurde, das war: Moe Wagner. Man verschickte ihn im Pack mit dem deutschen Nationalspieler Isaac Bonga nach Washington zu den Wizards. Wagner hatte nichts dagegen, kam er doch damit aus einer Pattsituation heraus, außerdem hatte er vor seinem NBA-Draft zweimal in Washington vorgespielt. Die Verantwortlichen, heißt es, halten seitdem eine Menge von dem Deutschen – und siehe da, in der Nacht auf Sonntag hat Wagner zum ersten Mal in der NBA gezeigt, was in ihm steckt: Als Bankspieler kam er in nur 25 Minuten auf 15 Rebounds und 30 Punkte. So viele hat er in dieser Liga noch nie erzielt, und seine Trefferquote – 85 Prozent – war auch beachtlich gut.

Wagners Team, das sich im Umbruch befindet, gehört eher zu den Underdogs in der Liga, aber diese Ausgangslage muss nicht schlecht sein. Sie gibt dem 22-Jährigen Raum, sich zu entwickeln. Wagner, der als 2,11 Meter langer Lulatsch eher in Korbnähe agiert, hat in Washington an seinem Dreipunktewurf und dem Selbstbewusstsein gearbeitet. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Er versenkt nun 47,8 Prozent seiner Fernwürfe. Im Schnitt kommt der Berliner auf 12,8 Punkte pro Spiel. In Los Angeles waren es weniger als fünf.

Gemeinsam mit Top-Scorer Bradley Beal (44 Punkte) führte Wagner sein Team am Wochenende zu einem 137:116-Erfolg bei den Minnesota Timberwolves, was die Nachrichtenagentur dpa zu einem gewagten Vergleich inspiriert: „Der Auftritt von Moritz Wagner erinnerte ein wenig an den jungen Dirk Nowitzki.“ Nowitzki, kürzlich erst in den Ruhestand gegangen, hatte am 23. November 1999 gegen die Houston Rockets sein erstes 30-Punkte-Spiel; da war er ein Jahr jünger als Wagner heute.

Nowitzkis Fans in dessen Heimat Würzburg hat das allerdings nicht dazu verleitet, ein Denkmal zu errichten. Nowitzki brauchte 20 Jahre, um sich den Nimbus der Genialität zu erarbeiten. Moe Wagner hat also noch einiges zu tun, bis er den Wechsel auf seine Person einlösen kann. Markus Völker

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