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Gewürz mit Geschichte

In unseren Breiten vor allem auf Lebkuchen, Plätzchen und Glühwein abonniert, wird Zimt verstärkt für herzhafte Speisen verwendet, je weiter man in Europa nach Süden kommt

„Die Kasia wächst in einem See von nicht großer Tiefe“ – das wissen wir heute besser Foto: Alamy/Lana/mauritius images

Von Kristina Simons

„Um Kasia zu gewinnen, verhüllen sie mit Rindshäuten und anderen Fellen den ganzen Leib und das Gesicht bis nahe an die Augen. Denn die Kasia wächst in einem See von nicht großer Tiefe, aber an seinen Rändern und in ihm hausen geflügelte Tiere, vergleichbar den Fledermäusen, die schrecklich zischen und sich kühn zur Wehr setzen.“ Die Mutmaßung des antiken griechischen Geschichtsschreibers Herodot über Zimt (kasia) war dem damals gut gehüteten Geheimnis der Herkunft des edlen und äußerst ­begehrten Gewürzes geschuldet, das Griechenund Römer von orientalischen Zwischenhändlern bezogen.

Zimt ist eines der ältesten Gewürze der Welt. Schon zu Beginn des 3. Jahrtausends v. Chr. wurde Zimt in China angebaut und verwendet. Die Chinesen glaubten, das bei ihnen als gui bekannte Gewürz würde unsterblich machen. China trieb einen regen Zimthandel, angestoßen wahrscheinlich vom Volk der Kasi. So erklärt sich auch der Name Cassia, mit dem China-Zimt heute noch bezeichnet wird. Über die Seiden- und Gewürzstraßen Innerasiens gelangte er in den Nahen Osten und bis ins Zweistromland. Babylon wurde zum wichtigen Umschlagplatz für chinesischen Zimt. Die Araber transportierten ihn weiter in den Norden, hielten die Herkunft des Gewürzes jedoch geheim. Eine andere, feinere Sorte Zimt stammt aus Ceylon (heute Sri Lanka). Auch der Handel mit Ceylon-Zimt florierte, schon in der Antike waren beide Zimtarten bekannt. Doch schon wegen der langen und auch gefährlichen Handelswege waren beide Sorten sehr teuer.

Zimt war von Beginn an mehr als ein aromatisches Gewürz zum Verfeinern von Speisen aller Art. Die Ägypter verwendeten ihn wegen seines wohligen Geruchs und seiner keimtötenden Wirkung unter anderem beim Einbalsamieren. In der Antike galt Zimt insbesondere als Duftstoff, für die Römer diente er geräuchert zusätzlich als Spende an die Götter. So entzündete der römische Kaiser Nero nach dem Tod seiner Frau zu ihren Ehren in den Straßen Roms ein großes Zimtfeuer. Doch auch die heilende Wirkung von Zimt war hier bereits bekannt. Der griechische Arzt Hippokrates etwa empfahl im 5. Jahrhundert v. Chr. Zimt als Magentonikum. Die mittelalterliche Äbtissin und Universalgelehrte Hildegard von Bingen benutzte Zimt wegen seiner entzündungshemmenden Wirkung außerdem als Heilmittel bei Gicht und Malaria. Im Mittelalter beschenkten sich die Reichen und Mächtigen mit Gewürzen wie Zimt. Sie galten als purer Luxus und waren Botschafter einer fernen, geheimnisvollen Welt.

Im 15./16. Jahrhundert verdiente die Augsburger Kaufmannsfamilie Fugger gut am Zimttransport von Italien über die Alpen. Das Gewürz wurde Mitte des 15. Jahrhunderts so teuer, dass sich verschiedene europäische Staaten auf die Suche nach der eigentlichen Herkunft des kostbaren Gutes machten, um dann Zwischenhändler und Zollschranken umgehen zu können. Nachdem der Portugiese Vasco da Gama Ende des Jahrhunderts tatsächlich den Seeweg nach Indien fand und Ceylon portugiesische Kolonie wurde, übernahmen die Portugiesen die Vorherrschaft über den Zimthandel. 140 Jahre später eroberten die Niederländer Ceylon und übernahmen die Herrschaft über den Zimt. Im 18. Jahrhundert wurden sie von den Briten abgelöst. Erst als die Niederländer auch in Indonesien Zimtplantagen anlegten, war das Zimtmonopol beendet – die Preise sanken.

Zimt ist nicht gleich Zimt

Zimt wird aus der Rinde des Zimtbaums gewonnen. Wir kennen vor allem China- oder Cassia-Zimt sowie Ceylon-Zimt bzw. Kaneel. Zunehmend landen aber auch Padang-Zimt aus Indonesien sowie Vietnamesischer Zimt im Handel. Die Sorten unterscheiden sich in Geschmack, Aussehen und auch in ihrem Cumaringehalt. Cumarin kann in großen Mengen Kopfschmerzen, Erbrechen und Übelkeit auslösen. Besonders wenig Cumarin enthält Ceylon-Zimt, der als die edelste Sorte gilt. Er ist hocharomatisch, fein und süßlich im Geschmack. China-Zimt ist ebenfalls süßlich-aromatisch, aber etwas herber und kräftiger als Kaneel, außerdem leicht bitter. Der würzig-brennende Geschmack von Padang-Zimt ähnelt dem von Ceylon-Zimt, reicht jedoch nicht an dessen ausgewogenes Aroma heran. Vietnamesischer Zimt ist süßer und schärfer als die anderen Sorten. Er hat den höchsten Cumaringehalt, ist aber bei normalem Verzehr gesundheitlich unbedenklich.

Bereits gegen Ende des 17. Jahrhunderts, als die europäischen Nationen die Kolonien unter sich aufgeteilt hatten und es immer weniger zu entdecken und zu verteilen gab, verloren viele europäische Völker das Interesse an Gewürzen wie Zimt. Die moderne, zunächst von Frankreich geprägte europäische Küche verwendete Gewürze weit weniger. Neue Genussmittel wie Tee, Kaffee, Zucker und Schokolade weckten das Interesse.

Dieser Wandel wirkt noch heute nach. In unseren Breiten wird Zimt fast nur noch mit Süßspeisen assoziiert. Gerade in der Weihnachtsbäckerei hat Zimt Hochkonjunktur, verfeinert Lebkuchen, Plätzchen und Glühwein. Je weiter man in Europa nach Süden kommt, desto mehr verschiebt sich die Verwendung von Zimt aber in den herzhaften Bereich: In Griechenland darf das Gewürz zum Beispiel bei Schmorgerichten aus Rind oder Lamm und bei vielen Hackfleischgerichten nicht fehlen. Auch in der türkischen und der arabischen Küche ist Zimt fester Bestandteil von Suppen und deftigen Gerichten. Die meisten Currys und Chutneys aus Indien enthalten Zimt. Auch in der mexikanischen Küche hat das Gewürz seinen festen Platz – in der asiatischen ohnehin.

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