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Wir trinken Messwein

Lieder über Alkoholgedanken und Partys: Die Düsseldorf Düsterboys begeisterten am Dienstag im Privatclub mit offensivem Dilettantismus

Von Jan Jekal

Peter und Pedro sitzen auf Barhockern, E-Gitarren auf dem Schoß, und spielen Lieder, die wie Volkslieder klingen, aber keine sind, weil sie gerade erst von ihnen geschrieben wurden und noch nicht zu Volksliedern werden konnten. Das kürzlich erschienene Debütalbum ihrer Band The Düsseldorf Düsterboys wurde viel gelobt, das Konzert im Privatclub am Dienstagabend ist ausverkauft.

Der gemeinsame Gesang gedankenverloren, von getragener Traurigkeit; ihre Stimmen, sanft und tief, sind im nahen Harmoniegesang verbunden. Der wehmütige Wohlklang ihrer Stimmen steht bisweilen im Widerspruch zu den Texten, die aus aufgeschnappten Sätzen, Gedankenfetzen und beiläufigen Beobachtungen bestehen und irgendwo zwischen Aphorismen und Dadaismus landen.

Zwar bilden Peter Rubel und Pedro Goncalves Crescenti, die wirklich so heißen, den Kern der Band, die ihrem Namen entgegen übrigens aus Essen kommt, doch ergänzen ihre beiden Bandkollegen, Combo-Organist Fabian Neubauer und Schlagzeuger Edis Ludwig, den Sound ganz entscheidend. Besonders das Grundbrummen von Neubauers Orgel vertieft ihren Klang, gibt ihm Gewicht, dröhnt ominös über den Lagerfeuerakkorden der Frontmänner. Peter und Pedro sind die Stars der Band, der Melancholiker und der Schelm, ihr müheloser Rapport macht das Konzert, das musikalisch durchaus seine Längen hat, zu einem großen Vergnügen.

Die eigene Unprofessionalität wird nicht zu verschleiern versucht, sondern offensiv und ziemlich witzig kommentiert. An einem Punkt sucht Pedro sein Kapo, geht die Bühne ab, kann es nicht finden, da sagt Peter: „Du musst dich in dich selbst hineinversetzen. Wo hättest du dein Kapo hingetan, wenn du du selbst wärst?“ Pedro findet’s. „In der Jacke war’s!“, ruft er und hält es triumphierend ins jubelnde Publikum. „Wer bei den Düsterboys spielt, muss nicht viel können, um Applaus zu bekommen“, sagt er.

Bierflaschen werden geöffnet, indem Peter eine Flasche hält und Pedro den Kronkorken mit seinem Ring entfernt; das Stimmen der Saiten gehen sie mit vereinten Kräften an, und natürlich spielen beide Gitarre, häufig die gleichen Akkorde, manchmal wagt einer ein Solo, das dann mit dem Wort „Solo!“ angekündigt wird. Die kurzen Jams zwischendurch sind weniger interessant, Gitarrengeschrammel über Orgel-Drones. „Komm, spielen wir lieber noch ein Lied“, bricht Peter einen Jam ab, und damit hat er recht.

Am Merchandise-Stand werden Bierdeckel mit Bandlogo verkauft; fünf Stück für fünf Euro. Bier scheint eine drug of choice zu sein, auf der Bühne trinken sie Astra aus der Flasche, Lieder heißen „Alkoholgedanken“ und „Kneipe“. Was nicht bedeutet, dass sie sich rühriger Trinkerromantik hingeben, sie machen keine selbstverliebte Gossenpoesie. Obwohl viele ihrer Lieder Verliererballaden sind, die Gesänge Gescheiterter, kriegen sie die Kurve und vermeiden Sentimentalität, auch weil sie sich nicht zu ernst zu nehmen scheinen. Eines ihrer Lieder, ein rumpelnder Rock’n’Roll, hat den Refrain: „Wir trinken Messwein, Baby“.

Die besten Momente sind die, in denen ihre Songs am deutlichsten Volksliedcharakter haben, bei „Teneriffa“ zum Beispiel, oder „Partys“, einem schwermütigen Walzer, wo der Gesang des Publikums den Gesang der Sänger fast übertönt. Die Band scheint gerührt von der Begeisterung des Publikums, es sei erst ihr dritter Auftritt zu viert, sagt Pedro, einen so überschwänglichen Empfang, zugleich auch Tourauftakt, hat das Essener Quartett nicht erwartet. Die Düsterboys geben noch eine lange Zugabe, haben dann wohl ihr gesamtes Material gespielt, gehen von der Bühne und fallen sich in die Arme.

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