Vom Leibe erzählt

Der Dichter Andreas Greve liest „Geschichten aus der Erinnerung“

Von Robert Matthies

Keine Memoiren, nur „einige Geschichten, die des Erzählens wert waren. Vor allem literarisch“. Bescheiden gibt sich „Alltags-Dichter“ Andreas Greve in seinem Erinnerungsbüchlein „Etwas ist immer“ (BoD, 152 S., 10 Euro). Schließlich macht er auch darin nur das, „was ich mit meinem Leben über Jahrzehnte gemacht habe: Ich habe es mir irgendwie vom Leibe erzählt.“ Erzählen müssen, muss man vermuten: Denn so ein Leben, das kann man, weiß Greve, „bekanntlich nicht, wie ein gutes Buch, einfach von Zeit zu Zeit aus der Hand legen“.

18 kleine Einblicke ins „innere Museum“ und dessen „Ausstellungsstücke“ gewährt das Buch: Ein Rucksack weckt „sehr warme Erinnerungen“ ans Reisen, ein Ascheimer regt das Nachdenken über „entleerte Illusionen“ an, Fenster eröffnen eine „traumahafte Aussicht“ auf „eine ganze Menge Gefühle“ die Zimmermannslehre in Dänemark betreffend.

Von der Kindheit in kleinen Verhältnissen im Arbeiterviertel Altona erzählt Greve, vom Urlaub auf dem Balkon und vom Baden im Hallenbad; vom Kunststudium in Braunschweig, vom Leben als „Kollektivist“ in Dänemark; vom Lieben und Scheitern und „Leiden unter einer starken Ablehnung der gesellschaftlichen Verhältnisse“ und der damit sich einstellenden jahrelangen Depression: „Die historische Leistung meiner Generation besteht darin, die Matratze aus den Betten befreit – und sie später wieder schön zurückgelegt zu haben“.

Seinen Schwestern hat Greve das Buch gewidmet, aber, ach: „Schmerz gehört zum Erinnern, und deshalb handelt es auffallend mehr von meinem Vater als von meiner Mutter.“ Und weil sich hier ein Dichter erinnert, handelt „Etwas ist immer“ immer auch vom Leben im Allgemeinen und dem Schreiben darüber im Besonderen.

Aber Schreiben „ist der denkbar umständlichste Weg, um zum Leben zu kommen, denn man wendet ihm dabei den Rücken zu“, schreibt Greve. Ein Glück, dass es nicht umständlich ist, Greve auf diesem Weg zu folgen. Denn all die Erinnerungsschwere, die das Leben so mit sich bringt, trägt Greve mit behutsam humorvoller Leichtigkeit: „Papier ist nämlich keineswegs geduldig, sondern empfindlich.“

Lesung: Sa, 26. 10., 19 Uhr, Fon-Friseur, Kleine Brunnenstraße 13