Jasmin Ramadan
Einfach gesagt
: Von Feministinnen und Wichsvorlagen

Foto: Roberta Sant'anna

Wer ist denn heutzutage eigentlich keine Feministin mehr? Ich komm da nicht mehr mit!“, sagt die Frau am Nebentisch zu ihren Freundinnen bei der Skatrunde in der St.-Pauli-Kneipe.

„Wie meinste das, Ute?“

„Na, Sängerinnen, die in Unterwäsche auftreten, nennen sich Feministin und konservative oder streng religiöse Frauen, mit oder ohne Kopftuch, auch. Entweder bin ich verbohrt oder es gibt da echt eine Begriffsinflation.“

„Was für Sängerinnen treten denn in Unterwäsche auf?“

„Ach, da hat meine Tochter mir einige gezeigt, es gibt sie auf allen Kontinenten, sie tragen Lack-Slip, geschnürte Stiefel bis zum Hintern und über den aufgepolsterten Brüsten ein knappes Ding, wo in Glitzer-Schrift Feminist drauf steht!“

„Dürre Models tragen diese Behauptung auch spazieren – als Kette und Ohrringe! Hab ich das neulich in ’nem Magazin gesehen.“

„Das ist nicht Feminismus, sondern Style.“

„Heutzutage ist vieles Style, die Leute kaufen Guns-n’-Roses-, Metallica- oder Nirvana-T-Shirts bei H&M. Früher waren das Fan-Shirts, heute sind es Requisiten für die Lebensperformance.“

„Ach Mensch, all die jungen Herzen schlagen nur noch für sich selbst.“

„Nee Sonja, jetzt klingst du alt und das stimmt so nicht. Gibt noch genug Mädchen, die relativ uneitel politisch aktiv aussehen und es auch sind, so wie wir früher.“

„Früher konnte man wenigstens noch unterscheiden. Da war alles gut von außen erkennbar. Sogar Nazis!“

„Wie zieht sich denn deine Tochter an, Ute?“

„Eher so Jeans und Kapuzenpulli, aber sie findet, jede soll so freizügig sein, wie sie will.“

„Vielleicht ist Feministin quasi synonym mit Frau.“

„Ja, stimmt, welche Frau würde heute schon noch sagen, sie sei keine Feministin?!“

„Wenn es einfach um Selbstbestimmung geht, passt das. Dann ist es richtig, dass jede Frau, die autonom entscheidet, Feministin ist. Auch das Fitnessmodel und die Pornodarstellerin sind es dann per Definition.“

„Naja Susanne, bleib mal bitte auf dem Teppich. Was ist denn schon eine autonome Entscheidung, was ein freier Wille?“

„Tja. Daran hat sich schon manche Philosophie die Zähne ausgebissen.“

„Eben, geprägt und versaut werden wir doch alle von irgendwas: Den Eltern, der Gesellschaft, unserer Natur, dem Kapitalismus.“

„Gibt es eigentlich noch die Bravo?“

„Online bestimmt.“

„Früher ging es beim Feminismus nicht um den Look, sondern um Zugang zu was: Arbeit, Wahlrecht, sexuelles Verweigerungsrecht.“

„Das war so schön ernst, heute glotzt so ’ne Ische über den Rand ihrer aufgespritzten Lippe und faselt was von, sie habe das Recht, in Strapsen auf die Straße zu gehen, ohne deshalb gleich angemacht zu werden! Das ist so prall!“

„Klingt fast wie ein Kampf für Sexismus, statt für Feminismus.“

„Ich mache mich selber zum Sexobjekt, bevor die Männer es tun, und damit bin ich ihnen einen Schritt voraus.“

„Als wäre es eine Befreiung, sich des Drecks zu ermächtigen.“

„Befreiung steht dabei als Synonym für Problemverlagerung.“

„Eine Wichsvorlage bleibt eine Wichsvorlage, egal was auf ihrem T-Shirt steht.“

Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.