: Der Comic vom Tod und dem Superjungen
JUGENDDRAMA In „Am Ende eines viel zu kurzen Tages“ erzählt Ian Fitzgibbon in einer Mischung aus Realfilm und Animation von einem 15jährigen Krebskranken, der Comics über seine Ängste zeichnet
VON WILFRIED HIPPEN
Manchmal arbeitet ein Erzähler mit einem Konzept statt mit einer Geschichte. Dies wird meist schon in den ersten Minuten deutlich, wenn sofort erkennbar ist, welche Funktionen die einzelnen Figuren haben.
Bei „Am Ende eines viel zu kurzen Tages“ ist die Konstruktion so offensichtlich wie selten: Da gibt es einen unheilbar krebskranken 15jährigen, seine überfürsorgliche Mutter, den passiven Vater, einen weisen Super-Psychologen, eine sensible Mitschülerin, die seine Freundin wird und Schulkameraden, die einen Plan aushecken, wie er einmal in seinem Leben noch mit einer Frau schläft.
Sie tun dann auch sehr ordentlich das, was man von Anfang an von ihnen erwartet. Nur der Vater sorgt für eine kleine Überraschung, wenn er eine Krisensituation dadurch löst, dass er einen Joint baut und gemeinsam mit seinem Sohn kifft.
Der neuseeländische Autor Anthony McCarten, auf dessen Roman „Superhero“ der Film beruht, hatte eine originelle Idee: Sein Held Donald ist hochtalentiert (dadurch ist sein früher Tod gleich noch tragischer), und er zeichnet Comics, in denen ein düsterer Superheld gegen den dämonischen Schurken Glove kämpft und von der verführerischen Krankenschwester Nursey Worsey begehrt wird.
Diese Zeichenfiguren, durch die Donald sich eine Möglichkeit schafft, seine Ängste und Aggressionen auszudrücken, werden vom irischen Regisseur Ian Fitzgibbon in animierten Sequenzen lebendig, die jeweils die Stimmungen von Donald deutlich machen sollen.
Die Schöpfungen des Jungen entwickeln langsam ein Eigenleben, und aus seinen Fluchtfantasien werden höllische Alptraumvisionen. In einer Sequenz vermischen sich dann die beiden Erzählebenen, und der animierte Glove steht plötzlich bedrohlich in Donalds Zimmer.
Die Vermischung von Real- und Trickfilm ist ästhetisch reizvoll, aber dramaturgisch tritt sie auf der Stelle. Ohne diese Comiceinschübe hätte sich die Geschichte kaum anders entwickelt, es fehlt auch auf dieser Ebene an Erfindungsreichtum.
Auch die Inszenierung ist meist überdeutlich. So muss Andy Serkis in der Rolle des Psychologen Adrian King ständig sympathisch unrasiert in einer Strickjacke herumlaufen und auf seinem Plattenspieler Mozart hören. Und kurz vor dem Moment, in dem er endlich das Vertrauen von Donald erringt, klingelt dieser an seiner Haustür und hinter ihm sieht man einen Regenbogen.
Fitzgibbon hat eine Vorliebe für diese sehr plakative Symbolik. So gibt es einen ganzen Erzählstrang, in dem es um einen Totenkopf geht, denn Donald auf das auf Kiel gelegte Boot des Psychologen malt, dann wieder abkratzt und der vom Doktor schließlich wieder neu gemalt wird.
In solchen Momenten ist Fitzgibbon hemmungslos sentimental, und so geht sein Film statt in die Tiefe in die Breite.
Mit seinem mageren Körper und stechenden Augen ist Thomas Brodie-Sangster als der pubertierende Held eindrucksvoll und glaubwürdig, aber wenn er zum zehnten Mal hochdramatisch die Wollmütze abnimmt, schreckt man dann doch nicht mehr erschrocken so vor seinem haarlosen Kopf zurück, wie der Regisseur es offensichtlich geplant hat.
Weil dies eine irisch/deutsche Koproduktion ist, hat übrigens Jessica Schwarz einen kleinen Alibi-Auftritt als Hure mit Herz, aber auch der ist schnell vergessen.