: „Sogar Henning Scherf war da“
Kriegsgegner Ernst Busche über den Widerstand gegen die Rekrutenvereidigung auf der Bremerhavener „Sail“ und die Straßenschlachten beim letzten Gelöbnis in Bremen vor 25 Jahren
taz: Heute findet im Rahmen der Windjammer-Parade in Bremerhaven ein öffentliches Gelöbnis statt. Wie viele DemonstrantInnen erwarten sie? Ernst Busche: Wir fahren aus Bremen mit zehn Menschen los. Ich bin zufrieden, wenn 50 Protestbürger zum Schifffahrtsmuseum kommen und ihre Trillerpfeifen benutzen.
Warum sind es nur zehn?Erst mal ist es ein Werktag, die Friedensbewegung ist kleiner geworden. Wir waren früher zigtausende, auch beim letzten Irak-Krieg kamen über 300.000 Menschen nach Berlin.
In Bremen hat es seit der Schlacht am Osterdeich 1980 keine öffentlichen Gelöbnisse mehr gegeben. Wirkt das „Bremer Trauma“ bis heute nach? 1998 war ein Gelöbnis auf dem Bremer Marktplatz geplant. Das wurde aber dann vom damaligen CDU-Rüstungsminister Volker Rühe abgesagt.
Wie ist ihre Erinnerung an den 6. Mai 1980? Hans Koschnick und der damalige Verteidigungsminister Hans Apel haben im Weserstadion die Vereidigung vorgenommen. Draußen am Osterdeich standen mindestens 15.000 Demonstranten mit Trillerpfeifen. Sogar Henning Scherf war dabei. Steine flogen, Wasserwerfer machten uns nass. Das war eine der größten Demonstrationen hier in Bremen. Ich freue mich immer, wenn so etwas passiert.
Ab wann nahm die Beteiligung an den Protesten ab? Nach 1986 kamen allmählich immer weniger Leute, später gab es dann bei bestimmten Anlässen immer wieder mal eine Welle.
Können sich vorstellen, dass heute wieder ein Gelöbnis in Bremen stattfindet?Eigentlich nicht. Nicht nur die neue Linkspartei, selbst Grüne würden protestieren, hoffentlich auch SPD-Mitglieder. Ich nehme an, dass es vorläufig in Bremen kein Gelöbnis geben wird. In Bremerhaven finden jedes Jahr zwei statt, weil es dort eine Marineortungsschule gibt.
Die Bundeswehr bringt zu ihrer Verteidigung ja immer vor, dass sie eine demokratische Institution sei. Mich stört vor allem, dass das Werbung fürs Militär ist. 50 Jahre Bundeswehr sind 50 Jahre zu viel. Aber es geht nicht nur darum, Angriffskriege und Kriegseinsätze deutscher Soldaten zu stoppen. Sondern auch um die Rüstungsaufträge, an denen vier Bremer Firmen beteiligt sind. Das ist eine sinnlose Verschwendung von Steuergeldern.
Was verbindet das Volksfest Sail mit der Rekrutenvereidigung?Es kommen rund 20 Kriegsschiffe nach Bremerhaven, viele der großen Segler sind Ausbildungsstätten für die Marine. Die Großväter besichtigen mit ihren Enkeln die Kriegsschiffe und zeigen ihnen stolz die Kanonen. Beides, die grauen Schiffe und das Gelöbnis-Spektakel, macht Bremerhaven zum Werbezentrum fürs Militär. Interview: Jan Zier