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Archiv-Artikel

Keiner will Bäcker werden

WIRTSCHAFT I Tausende Schulabgänger finden keinen Ausbildungsplatz. Dabei sind zahlreiche Stellen auch kurz vor Start des Lehrjahres noch nicht besetzt

In wenigen Tagen beginnt das neue Ausbildungsjahr. Doch mehr als 6.400 Jugendliche sind laut dem Arbeitsmarktbericht, den die Agentur für Arbeit am Donnerstag veröffentlichte, noch ohne Lehrstelle. Dem stehen etwa 3.300 unbesetzte Ausbildungsplätze gegenüber. Doch ob diese Zahlen tatsächlich die Wirklichkeit widerspiegeln, sehen Arbeitsmarktexperten unterschiedlich.

Anreiz für Gebäudereiniger

Es seien in der Realität weniger Jugendliche auf der Suche, erklärte Olaf Möller, Pressesprecher der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg. Die Zahl würde sich in den nächsten Wochen durch Schulabgänger, die ins Ausland gehen, ein Freiwilliges Soziales Jahr machen oder ein Studium beginnen, bereinigen. „Erfahrungsgemäß bleiben etwa 1.000 Bewerber übrig“, so Möller.

Sabine Bangert, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, sieht das anders. Insgesamt würden momentan weitaus mehr, etwa 16.000 Jugendliche, eine Ausbildung suchen, schätzt sie. Denn die Anzahl derer, die im vergangenen Jahr leer ausgingen, sei bei den offiziellen Zahlen nicht erfasst. „Von denen redet niemand mehr“, so Bangert.

Unstrittig ist, dass Lehrstellen für weniger beliebte Berufe wie Bäcker oder Gebäudereiniger häufig offenbleiben. Durch höhere Löhne und niedrigere Anforderungen versuche man bereits, Auszubildende in diese Branchen zu locken, sagte Daniel Jander, der Sprecher der Handwerkskammer.

Auch in der Lehrstellenbörse der Industrie- und Handelskammer gibt es noch etwa 450 offene Ausbildungsplätze. „Unsere Mitglieder suchen händeringend nach Auszubildenden“, sagte der Sprecher der Kammer, Jörg Nolte. Jander erklärte, oftmals seien Motivation und Qualifizierung der Bewerber nicht ausreichend. Bangert zufolge erhalten viele Jugendliche nur Absagen, seien jahrelang in der Warteschleife und frustriert. Der Senat müsse deshalb „adäquate Qualifizierungsmaßnahmen“ zu Verfügung stellen.

Der Regierende Bürgermeister, Klaus Wowereit (SPD), forderte Betriebe und Auszubildende auf, ihre Anstrengungen zu verstärken. Bereits im Juli hatte auch Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD) Unternehmen aufgerufen, mehr Auszubildende einzustellen. Bangert konterte, das Land müsse selbst mehr Ausbildungsplätze anbieten. Derzeit seien nur etwa 4 Prozent des Verwaltungspersonals Auszubildende, obwohl in den nächsten Jahren viele Mitarbeiter in Rente gingen. RANI NGUYEN