: Kein Schutzschild mehr
UMBAU Bernd Buchholz verlässt den Bertelsmann-Vorstand. Seinen Posten als Chef der Konzerntochter Gruner + Jahr dürfte er ebenfalls bald los sein
VON STEFFEN GRIMBERG
„Wössners Pool wurde verschüttet!“ Von allen Nachrichten, die dieser Tage aus dem Bauch von Deutschlands größtem Medienkonzern, der Bertelsmann Nicht-mehr-AG, dringen, ist dies wohl die dramatischste. Es wird gebaut, im Herbst will hier Vorstandschef Thomas Rabe einziehen, berichtete schon vor Wochen die am Konzernsitz Gütersloh bestens verdrahtete Neue Westfälische. „Hier“ ist dabei die Villa des ehemaligen Konzernlenkers Mark Wössner, der in den 1980er und 1990er Jahren den Mr. Bertelsmann gab.
Damit untermauert der seit Jahresanfang amtierende Rabe gleich den ersten großen Bruch mit bislang heiligen Kühen des Konzerns: Die von Gründervater Reinhard Mohn (1921–2009) beschworene Dezentralität möchte Rabe jedenfalls nicht um jeden Preis erhalten. Eher ganz im Gegenteil. Weshalb das in zwei Wochen anstehende Management-Treffen der Bertelsmänner (Konzernumsatz 2011 rund 15,3 Milliarden Euro) seit Jahren erstmals wieder „zu Hause“, im Theater Gütersloh, stattfindet.
Die zentrale Lage Ostwestfalens spürt besonders die Hamburger Bertelsmann-Halbtochter Gruner + Jahr derzeit am eigenen Spitzenpersonal: Europas größter Zeitschriftenverlag (Stern, Geo, Brigitte, Beef) soll ganz unters Bertelsmann’sche Konzerndach. Bislang gehören 25,1 Prozent der Anteile noch der dortigen Gründerfamilie Jahr. Doch die scheint nun willig, übergeordnet umzusteigen und ihren G + J-Anteil gegen ein Stück von Bertelsmann einzutauschen. Was wiederum G+J-Chef Bernd Buchholz den Boden unter den Füßen wegzog. Denn er galt wegen mauer Zahlen und wenig erkennbarem Digital-Esprit in Gütersloh als nicht mehr allzu wohl gelitten. Die Jahrs waren bislang eine Art Schutzschild vor der neuen Macht an der Konzernspitze, indes ein löchriges: Am Mittwoch trat Buchholz – und nicht, wie in einem Teil der Auflage zunächst versehentlich gemeldet, Thomas Rabe – von seinem Posten im Bertelsmann-Vorstand zurück. Zuvor hatte ihm ein mit Gütersloher Details gespicktes Zwischenzeugnis im Manager Magazin beschieden, die „Zugkraft einer Spielzeuglokomotive“ zu haben. Seine Demission als G+J-Chef dürfte also bald folgen.
Damit hat Thomas Rabe bereits den zweiten aus der alten Vorstandsgarde entsorgt – von RTL-Chef Gerhard Zeiler hatte sich Bertelsmann im April getrennt. Um Buchholz wird nun in Hamburg nur bedingt getrauert. „Wenn Sie als Kapitän auf der Brücke stehen und eine Riesenwelle aufs Schiff zukommen sehen, dann müssen sie den Leuten auf dem Sonnendeck sagen, dass sie ihre Liegestühle und Drinks beiseitestellen müssen“, hatte der ehemalige FDP-Mann der Belegschaft beim Amtsantritt 2009 erklärt. Und sich damit keine Freunde fürs Leben gemacht – zumal seine eigene Bilanz bei G+J mit „durchwachsen“ noch nett beschrieben ist.
Wer Buchholz beerbt – und vor allem, was diese ManagerIn dann noch zu sagen hat –, ist offen. Es wird vermutlich auch noch ein bisschen dauern: Die Mohns und Jahrs zanken sich laut Branchenberichten darüber, wie viele Bertelsmann-Anteile die Jahr-Anteile bei G+J wert sind. Damit der Deal überhaupt funktioniert, ohne den Einfluss der Familie Mohn zu schmälern, die den Konzern über eine fragwürdige Stiftungskonstruktion beherrscht, wurde auch die Gesellschaftsform geändert: Bertelsmann ist seit gut zehn Tagen eine SE & Co. KGaA, eine besondere Form der europäischen Aktiengesellschaft. Nach weiterem einstiegswilligen Kapital wird gesucht.
Denn für den ehrgeizigen Rabe steht viel auf dem Spiel. Wössners Villa, die nur „einen Steinwurf“ (Neue Westfälische) von dem Haus der Firmenchefwitwe Liz Mohn entfernt liegt, mag da nur ein Symbol sein.
Doch unter Wössner war Bertelsmann einst der größte Medienkonzern der Welt. Pool zuschütten allein reicht da kaum.