berliner szenen: Meditation mit Quark
Die ersten Sonnenstrahlen berühren am vergangenen Wochenende die Garteninsel im Hof der Weddinger Uferstudios und bringen die Tautropfen zum Funkeln. Davor sitzen zwei fröstelnde Gestalten. Es ist 7.30 Uhr. „Meditation“ steht auf dem Zeitplan zur 25-stündigen Eröffnung des Heizhauses, einer neuen Spielstätte der Uferstudios, die, anders als die benachbarten Uferhallen, von der Tanzszene vor Investoren gesichert wurden.
Das Programm hat am Mittag des Vortags angefangen. Ich bin gespannt auf die Meditationsstimmung nach einer Partynacht – auch wenn das als Grund nicht reicht, um mir zu erklären, warum ich bei gefühlten Minusgraden um halb sieben in Neukölln losgeradelt bin. Sonntags! Wahrscheinlich muss ich was für mein Karma tun. Als ich das Heizhaus betrete, ahne ich schon: Alles umsonst! Die Meditation fällt aus, die Leute schlafen.
Nur eine der Veranstalterinnen ist schon wach. Sie fegt. Und die Kuratorin huscht mit schlaffrisiertem Haar an mir vorbei. Ich gucke mich weiter um. Der Koch bereitet das Frühstücksbuffet vor. Er kann Hilfe gebrauchen und ich fange mit Bärlauchschneiden an. Dann stellt sich heraus, dass der Abwasch vom Vortag noch nicht gemacht ist. Das schmutzige Geschirr der Szene zu waschen ist, wie ich finde, ein einmaliger Karma-Job für eine Tanzkritikerin. Die Kuratorin sieht das, als sie frisch gekämmt zum Abtrocknen kommt, ähnlich. „Kein Wunder, dass Quark früher als Zutat für Mörtel benutzt wurde“, kommentiert sie, als ich mich am eingetrockneten Paprikaquark abarbeite. Sünde für Sünde erscheint mir währenddessen vor dem inneren Auge. Wie ich aufs „Bürgertum“ schimpfte, als ich mich an unhinterfragten Traditionen abarbeiten wollte, gehört noch zu den kleineren. Ich fürchte, ich muss noch einige Geschirrberge bewältigen. Astrid Kaminski
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen