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Die Frau am Schneidetisch

Ein Kompendium der Möglichkeiten, über Kunst und ihre Entstehung zu erzählen: Am Donnerstag startet im Zeughauskino das Festival DokuArts mit Filmen zur Kunst

Von Frank Arnold

„Once upon a time …“ (Es war einmal …): Mit diesen Worten beginnt „Arcadia“ und eröffnet damit einen magischen Raum. Für diesen Found-footage-Film durfte sich der Regisseur Paul Wright großzügig bedienen bei den Schätzen seit den Anfängen der Kinematografie, die das British Film Archive in seinen Räumen versammelt hat. Er konzentriert sich auf die englische Landschaft, auf Menschen und ihre Bräuche, zwischen alltäglichen, handwerklichen Verrichtungen und deren Negierung durch Nudisten, die nackt im Wald herumtollen.

Es ist überwiegend Stummfilmmaterial, das Wright verwendet. Den Bildern wird durch die eigens für diesen Film komponierte Musik von Adrian Utley (Portishead) und Will Gregory (Goldfrapp), die mit Synthesizern, Streichern und Harmoniegesängen arbeitet, immer wieder Düsteres entlockt, Uneindeutiges, das die Fhantasie des Zuschauers in Gang setzt (und die idyllischen Bilder näher an das krisengeschüttelte Großbritannien von heute rückt).

Insofern ein passender Auftakt für die mittlerweile zwölfte Ausgabe des Festivals DokuArts, das dokumentarische Filme über Kunst präsentiert, über Musik (in diesem Jahr Miles Davis und das Reggae-Label Trojan Records), bildende Künstler*innen (Paula Rego) oder auch Entlegeneres wie den niederländischen Garten- und Landschaftsarchitekten Piet Oudolf. Wie immer nehmen dabei Filme übers Filmemachen und besonders über Filme­macher*innen einen prominenten Raum ein. Die bilden, im Zusammenhang gesehen, auch ein kleines Kompendium der Möglichkeiten, Kunst darzustellen, von der gängigen Mischung aus flink aneinander eschnittenen Filmclips und Interviewschnipseln bis hin zu investigativen oder persönlicheren Ansätzen.

Hommage an Buster Keaton

Für Ersteres steht in diesem Jahr „The Great Buster: A Celebration“, mit dem Peter Bogdanovich dem großen Komiker Buster Keaton huldigt, der besonders von jenen geschätzt wird, die sich mit Chaplins Sentimentalität schwertun. Keaton dagegen war „The Great Stone Face“, der stoisch all das Ungemach ertrug, das ihm widerfuhr.

Bogdanovich arbeitet sich chronologisch durch dessen Werk, von dem Moment an, wo er als Vierjähriger mit seinen Eltern auf der Bühne stand, über seine Kurzfilme, den Höhepunkt mit zehn stummen Langfilmen (in nur fünf Jahren) und dem Absturz nach seinem Vertrag mit MGM, schließlich seine vielfältigen, eher kleinen Auftritte in der Nachkriegszeit. Die letzten 40 Minuten gehören dann den zehn großen Filmen mit für Keatons Komik charakteristischen Szenen, von Bogdanovich, der selber den Erzähler gibt, kenntnisreich kommentiert.

So endet der Film nicht auf einer tragischen Note, macht aber zugleich seinen Verwertungszusammenhang klar, wenn dem Nachspann zu entnehmen ist, dass die Produktionsfirma dieser Dokumentation gerade Keatons Meisterwerke digital hat restaurieren lassen. Man wird den Film also als Bonusmaterial einer Blu-ray/DVD-Veröffentlichung wiedersehen können.

Nach dieser überbordenden Materialfülle wirkt „Life As It Is: Miloš Forman on Miloš Forman“ von Robert Fischer eher minimalistisch: Ein langes Interview (die Fragen wurden herausgeschnitten) aus dem Jahr 2000 wird mit Filmclips angereichert, ausführlicher bei seinem tschechischen Frühwerk, knapper bei den Filmen, die er nach seiner Übersiedlung in den Westen inszenierte. Forman hinter seinem Schreibtisch versteht sich genauso gut auf Anekdoten wie auf die Formulierung künstlerischer Entscheidungen – angenehm, dass eine starre Kamera ihn ruhig beobachtet, statt seine Ausführungen dramatisch in Szene zu setzen.

Schön, dass bei dieser Veranstaltung auch immer wieder Filme zu sehen sind, die weniger bekannte Filmschaffende in den Mittelpunkt rücken. Dafür steht in diesem Jahr Catherine Héberts „Ziva Postec. The Editor Behind the Film Shoah“, der die Lebensgeschichte der israelischen Cutterin mit ihrer Arbeit an Claude Lanzmanns Opus verknüpft. Die experimentelle Form des Eröffnungsfilms nimmt „A Moon for My Father“ von Mania Akbari und Douglas White auf: die (exil)iranische Filmemacherin und der britische bildende Künstler führen einen Dialog über die Distanz, höchst persönlich und intim in Wort und Bild, wenn die Filmemacherin Mania Akbari ihre Brustkrebserkrankung ins Zentrum rückt.

Und in Midge Costins „Making Waves. The Art of Cinematic Sound“ kommen sowohl bekannte Regisseure, die für ihre ausgeklügelten Tonebenen bekannt sind, zu Wort (der Film eröffnet mit einem Statement von David Lynch) als auch jene Techniker, die deren Visionen umsetzen.

DokuArts 12, Zeughauskino, 10.–27. 10. Midge Costin und Robert Fischer werden ihre Filme persönlich vorstellen.

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