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Weg mit schwarzer Null

Den fünf deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute zufolge droht zwar keine Krise. Übertriebenes Sparen könnte die Konjunktur aber schon gefährden

Von Finn Mayer-Kuckuk

Krise? Rezession? Abschwung? Nach sechs Jahre kräftigen Wirtschaftswachstum sind solche Wörter fast ungewohnt – und doch beherrschen sie derzeit wieder das Gespräch über die Konjunktur. Experten sind sich dabei derzeit einig: Ein Absturz wie im Jahr 2009 ist nicht zu erwarten, eher ein zeitlich begrenzter Durchhänger. Die fünf führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten jedenfalls nur einen leichten Abschwung und dann wieder eine rasche Erholung. „Von einer Konjunkturkrise kann nicht gesprochen werden“, sagte Claus Michelsen, Ökonom am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), bei der Vorstellung ihrer Herbst­einschätzung.

Zwar schrumpfen derzeit die Umsätze der Industrie, was an sich ein lautes Alarmzeichen ist: Die Herstellung von Gütern ist weiterhin die Basis des deutschen Wohlstands. Doch anderen Branchen geht es gut, insbesondere dem Einzelhandel, den Dienstleistern und dem Bau. Im Gesamtjahr erwarten die fünf ­Wirtschaftsforschungsinstitute zwar nur noch 0,5 Prozent Wachstum. Doch schon 2020 und 2021 soll jeweils wieder eine 1 vor dem Komma stehen, wenn die Auslandsnachfrage wieder anzieht.

„Wir schrammen an der Rezession vorbei“, fasst es Christoph Schmidt vom Institut für Wirtschaftsforschung in Essen zusammen. Schuld am akuten Rückgang ist vor allem der sinkende Export. Die Nachfrage aus den USA und China ist deutlich schwächer als in den vergangenen Jahren. Vor allem die Autoindustrie, der Maschinenbau sowie die Pharmaindustrie verkaufen international weniger. Derzeit erschrecken Daten von Volkswagen die Beobachter: Sowohl in den USA als auch in China verkauft das Unternehmen deutlich weniger Autos.

Angesichts der zunehmenden Unsicherheiten fordern die Ökonomen der fünf Wirtschaftsforschungsinstitute eine Abkehr von der Idee der „schwarzen Null“, also dem ausgeglichenen Haushalt um jeden Preis. Für ein Konjunkturprogramm sehen die Ökonomen derzeit allerdings keine Notwendigkeit. Die Kapazitätsauslastung sei gerade erst auf normalem Niveau angekommen, nachdem die deutsche Wirtschaft ihre Möglichkeiten jahrelang überstreckt hatte.

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