: Bessere Reklame für Jobs in der Pflege
Die Bremer Kliniken bekommen eine gemeinsame Stellenbörse und mehr Auszubildende. Doch viele Plätze sind schon heute unbesetzt, und die Quote der Abbrecher*innen ist hoch
VonEiken Bruhn
„Wie kannst du nur diesen Beruf ausüben?“ Diese Frage könnten die Pflegekräfte nicht mehr hören, sagte am Montag die Direktorin des städtischen Klinikums Mitte, Daniela Wenddorff. Und: „Sie wollen in den Medien nicht so negativ dargestellt werden.“ Das sagte sie auf einer Pressekonferenz, die eigentlich über eine gemeinsame Stellenbörse aller Bremer Kliniken informieren sollte. Neben Wenddorff saßen ihr Kollege vom Diako, der Chef der Dachgesellschaft aller Bremer Krankenhäuser, eine Vertreterin einer gesetzlichen Krankenkasse und ein Pflege-Azubi, der davon schwärmte, sich seinen Arbeitsplatz aussuchen zu können und eine Jobgarantie zu haben.
Doch die Frage, warum überhaupt so viele Stellen in der Pflege unbesetzt sind und es eine gemeinsame Stellenbörse braucht, lässt sich nur beantworten, wenn über die Arbeitsbedingungen in Gesundheitsberufen gesprochen wird. Und die zeichnen sich durch Überlastung und eine im Vergleich mit „Männerberufen“ schlechte Bezahlung aus, wie auf der Pressekonferenz deutlich wurde.
Am deutlichsten wurde dabei die neue Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Die Linke), der der Wechsel von der Oppositionspolitikerin zum Regierungsmitglied kaum anzumerken ist. Als „sehr nachvollziehbar“ bezeichnete Bernhard die Forderungen der mehreren Hundert Demonstrierenden auf dem Marktplatz, die dort am Mittwoch verlangt hatten, dass Bremen als erstes Bundesland oder Kommune einen „Pflegenotstand“ ausruft.
Gemeint sei mit diesem Schlagwort, alles politische Handeln dem Ziel unterzuordnen, den Beruf attraktiver zu machen, erklärte am Montag Kerstin Bringmann von der Gewerkschaft Ver.di. „Es gibt in allen Kliniken freie Betten aufgrund von Personalmangel“, so Bringmann, „Wir erwarten von der rot-grün-roten Landesregierung, dass sie jetzt gegensteuert.“ Dazu gehöre auch, sich für eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich für Pflegeberufe einzusetzen. Zudem müssten Schichten so gut besetzt werden, dass auch mal jemand krank werden könne. „Da beißt sich die Katze aber in den Schwanz, weil dafür ja genug Leute da sein müssen.“
Die Klinikdirektorin Daniela Wenddorf sagte, dass die Dienstplanverlässlichkeit der größte Wunsch ihrer Mitarbeitenden sei. Dies habe eine Befragung von 20 Pflegekräften ergeben. „Sie wollen verständlicherweise nicht an ihren freien Tagen angerufen werden, weil jemand ausgefallen ist“, sagte sie. Daher würden die städtischen Kliniken Leiharbeitskräfte beschäftigen sowie ihren Springer-Pool ausbauen. Zudem sollen die Mitarbeiter*innen durch Pflege-Assistent*innen entlastet werden, die sich um die Nachbestellung von Materialien kümmern. Außerdem soll die Zahl der Ausbildungsplätze von 500 auf 750 erhöht werden.
Ab dem kommenden Jahr gibt es dafür eine gemeinsame Ausbildung für alle Pflegekräfte, bisher gab es eine eigene für Alten- und eine für Krankenpflege. Das Problem: Bereits jetzt sind laut Uwe Zimmer, dem Geschäftsführer der Bremer Krankenhausgesellschaft, zehn bis 15 Prozent der Ausbildungsplätze nicht besetzt. Und die Gesundheitssenatorin wies auf die hohe Abbrecherquote hin: 29 Prozent der Azubis in der Altenpflege beendeten danach ihre Ausbildung nicht, in der Krankenpflege seien es 20 bis 25 Prozent. Bei einer Demo auf dem Marktplatz forderten am vergangenen Mittwoch mehrere Hundert PflegeschülerInnen bessere Bedingungen in ihrer Ausbildung.
In einem 2016 von der Gesundheitssenatorin in Auftrag gegebenen Gutachten der Universität Bremen werden als häufigste Abbruchgründe psychosoziale Probleme sowie eine inhaltliche Überforderung genannt.
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