: Tief in den Siebzigern
ROCK Noch bevor The Obsessed ihr erstes Album veröffentlichten, waren sie das, was man früher immer eine Kult-Band nannte
VON ANDREAS SCHNELL
„Eines Tages unterschrieben wir bei einem Majorlabel und ich dachte: Endlich habe ich die Lizenz zum Fliegen. Endlich kann ich mich auf die Musik konzentrieren, die Miete wird gezahlt, es ist jetzt unser Job, Musik zu machen. Das war es eine kurze Zeit, aber wir verkauften nicht genug Platten“, erzählte mir Scott Weinrich, der Mann, den die Rockwelt stets kurz „Wino“ nennt, einmal in einem Interview.
Eigentlich das klassische Schicksal sogenannter Kultbands, anderswo auch „Musician’s musicians“ geheißen, was Musiker, Musikerinnen oder Bands meint, die in Kollegenkreisen den besten Ruf genießen und im Zuge dessen oft zu Lustobjekten der Musikindustrie werden, wo sie dann die hochgesteckten Erwartungen nicht erfüllen.
The Obsessed genießen in der sogenannten Doom- und Stoner-Rock-Welt einen legendären Ruf, am dem sie lange gearbeitet haben. Die Ursprünge der Band liegen in den späten siebziger Jahren in Maryland, wo The Obsessed aus der 1976 gegründeten Band Warhorse hervorgingen. Das Debüt-Album sollte 1985 erscheinen, aber dazu kam es erst fünf Jahre später, als The Obsessed sich schon aufgelöst hatten und Wino bei Saint Vitus eingestiegen war.
1990 veröffentlichte dann das Berliner Label Hellhound Records endlich das schlicht „The Obsessed“ getaufte Werk, woraufhin Wino die Band wieder ins Leben rief. Das zweite Album „Lunar Womb“ entstand, Columbia Records angelte sich die Band für ein drittes – wir erinnern uns: Der Hype um Grunge und Alternative Rock steht 1994 in voller Blüte, die Industrie kauft alles, was sich nicht mit Händen und Füßen wehrt. The Obsessed sind mit ihrem tief in den Siebzigern verwurzelten, bluesigen Hardrock allerdings kaum für das damals noch bedeutende MTV geeignet.
Und so endet wie für viele andere der eingangs geschilderte Traum mit einem bösen Erwachen: Die Kritik ist begeistert, die Bilanzbuchhaltung nicht. Wino stürzte tief, Alkohol und so weiter, bis er schließlich Ende der Neunziger mit Spirit Caravan wieder auf der Bildfläche erschien, Projekte wie Hidden Hand, Premonition 13 und Shrinebuilder folgten, dazu Akustikalben und prominente Kollaborationen: Dave Grohl lud ihn für sein „Probot“-Album ein, mit den Black-Sabbath-Recken Bill Ward und Geezer Butler und Judas-Priest-Frontmann Rob Halford nahm er als „Bullring Brummies“ einen Song für ein Black-Sabbath-Tribute-Album auf – der Mann ist also gut vernetzt, wie man heute so sagt.
Und vielleicht erntet er ja doch noch den materiellen Lohn für sein Lebenswerk. Mit Saint Vitus nahm er unlängst ein neues Album auf, und jetzt sind auch The Obsessed wieder da. Im Frühjahr spielte die Band auf dem renommierten „Roadburn“-Festival in den Niederlanden erstmals seit Mitte der neunziger Jahre wieder zusammen, dieser Tage sind The Obsessed tief im Osten zu sehen, auf dem „South Of Mainstream“ in Schönewalde Stolzenhain – und am Dienstag in Bremen. Die Besetzung ist übrigens die, die auch auf „The Church Within“ zu hören war, dem bislang letzten Album der Band. Und angeblich arbeiten The Obsessed auch an neuen Songs.
■ Dienstag, 20.30 Uhr, Römer