piwik no script img

berlinmusikSchüler und Lehrer

Lockenhaus liegt in Österreich. Das hat mit Berlin erst einmal nicht viel zu tun. In Lockenhaus gibt es aber ein Kammermusikfestival. Seit 2012 ist dessen künstlerischer Leiter der Cellist Nicolas Altstaedt, wohnhaft in Berlin. Wie auch die norwegische Geigerin Vilde Frang. Beide sehr internationale Stars, und beide spielen aktuell auf einer in Zusammenarbeit mit dem Kammermusikfest Lockenhaus entstandenen Aufnahme mit Werken zweier ungarischer Komponisten, Sándor Veress und Béla Bartók.

Da Lockenhaus unmittelbar an der ungarischen Grenze liegt, man braucht bloß einmal über den Fluss Güns hinüber, ist die Auswahl der Künstler geografisch allemal naheliegend. Musikalisch ergibt es zudem Sinn, das Streichtrio von Ve­ress mit dem selten gespielten Klavierquintett Bartóks zu kombinieren: Letzterer war der Lehrer des Ersteren.

Wenn man die Stücke nebeneinander hört, ohne sich vorher anzuschauen, was es mit deren Entstehung auf sich hat, möchte man sich ein wenig die Ohren reiben. Veress, der hierzulande nicht übermäßig bekannt ist, bietet frischen, modernen Stoff, dynamisch, gegen Ende hin zunehmend dramatisch, zu einem nicht geringen Teil dank der Dissonanzen, die er großzügig verwendet.

Dann Szenenwechsel. Auftritt Bartók. Mit einem Stück, das vor allem durch sein romantisches Vokabular überrascht. Harmonisch, weit weniger kantig als die Musik, mit der man den musikethnografischen Aneigner folkloristischer Traditionen seines Landes sonst assoziiert.

Die Aufklärung: Bartóks Klavierquintett ist ein Frühwerk, 1904 vollendet, da war der 1881 geborene Komponist noch Anfang zwanzig. Veress’ Streichtrio hingegen stammt aus dem Jahr 1954, sein Schöpfer selbst aus dem Jahr 1907. Veress war mithin in der Mitte seines Lebens angelangt, entsprechend reif, wenngleich keinesfalls abgeklärt klingt sein dichtes, von Altstaedt und Frang mit dem Bratscher Lawrence Power in elektrisierender Spannung gebotenes Stück.

Bei Bartók erwacht da erst das musikalische Ungestüm, man ahnt hier und da die spätere Richtung, die er nehmen wird, vor allem wegen der Energie seines Materials. Altstaedt und Frang geben dem Ganzen mit ihren Mitstreitern eine virtuose, konzentrierte Würde, die aufweckt. Tim Caspar Boehme

Sándor Veress, Béla Bartók: „String Trio, Piano Quintet“ (Alpha/Note 1)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen