Weiche Ziele im Visier

Monty Python ist arg lang her: Der britische Komiker John Cleese gastiert am Dienstagabend im ausverkauften Admiralspalast

Von Jan Jekal

Die Frage, warum er die Strapazen einer Tournee in seinem Alter noch auf sich nehme, erklärt John Cleese mit einem Bild, das auf der Leinwand hinter ihm erscheint. Es zeigt eine Frau, die einem Geldautomaten gerade massig Bargeld entnimmt. „Meine Ex beim täglichen Morgenspaziergang“, seufzt der Komiker. Derlei Kalauer gibt es einige am Dienstagabend im ausverkauften Admiralspalast. So räsoniert Cleese auch über ein Hotel in Miami, dessen Design ihn verwirrt und dessen Bedienstete „keine bekannte Sprache sprechen“, ob die junge, „sehr attraktive“ Angestellte, die schnurstracks auf sein Schlafzimmer zugeht, im Preis inbegriffen sei. Oder, er zitiert seinen Monty-Python-Kollegen Eric Idle, dessen liebste Sexstellung „Der verheiratete Mann“ sei: flach auf dem Rücken, den Geldbeutel weit geöffnet.

Cleese ist fast 80, und seine Witze sind die eines fast 80-Jährigen. Einst etablierte er mit Monty Python jedoch einen Anti-Humor voll albern-absurder Szenarien, der sich um Konventionen und Kontinuitäten null scherte, auf Pointen verzichtete, auf die erwartbaren zumindest, ein Witz, der sprunghaft und anarchisch war, avantgardistisch gar. Als 1969 die ersten Folgen der Serie „Monty Python’s Flying Circus“ von der BBC ausgestrahlt wurden, gehörte Cleese somit im Geiste einer Gegenkultur an, brachte frische Luft in den Empire-Muff. Heute ist Cleese so etabliert, wie man nur sein kann; selten wird von Monty Python ohne das Wort „Kult“ gesprochen, und Cleese lebt als tweetender Brexiteer längst in der Karibik. Er fröhnt nun genau dem Humor, gegen den er Ende der Sechziger mit Monty Python rebellierte: selbstgefällige Altherrenklischees.

Sein aktuelles Programm, mit dem Cleese seit sechs Jahren tourt, heißt „Last Time To See Me Before I Die“ und natürlich macht er sich darin selbst zur Zielscheibe. Sonst nimmt er lieber weiche Ziele ins Visier. Er wolle, sagt er an einem Punkt, „racial humor“ wieder rehabilitieren und setzt zu einem radikal humorlosen Plädoyer gegen politische Korrektheit an. Er sagt also vor ausverkauftem Haus Dinge, die man nicht mehr sagen dürfe, und bekommt dafür tosenden Applaus, von einem Publikum, das sich in der Rolle des Verteidigers der Redefreiheit gut gefällt. Bei den Franzosenwitzen („Warum gibt es in Frankreich so viele Bürgerkriege? Damit sie auch mal einen gewinnen!“), den Italienerwitzen („Warum rasieren sich Italiener die Oberlippe? Damit sie nicht wie ihre Mütter aussehen!“) und den Spanier-, Griechen-, Mexikaner- und Judenwitzen brennt die Hütte. Und die johlenden Deutschen beweisen wieder einmal, dass sie doch Humor haben.

Aber es ist nicht alles schlecht. Sehr lustig, gleich zu Beginn, ist Cleese’ Aufforderung an das Publikum, unterstützt von einem wild fuchtelnden Dirigenten, unisono die auf der Leinwand stehenden Sätze vorzutragen, die jede seiner Begegnungen mit Fans nachzeichnet. „Mr. Cleese, ich möchte Sie wirklich nicht stören“, steht da, „aber ich bin Ihr größter Fan.“ Als schon nach den ersten Minuten die Teleprompter ausfallen – „Ich merke mir den Scheiß doch nicht mehr“–, muss Cleese improvisieren. Schlagfertig und schnell erzählt er davon, wie er mit Monty Python Anfang der Siebziger in München gedreht habe, und freut sich die ganze Zeit über die Panne („Das muss die berühmte deutsche Effizienz sein!“), lacht bellend, geht dann aber doch für einige Minuten von der Bühne, bis die Teleprompter wieder laufen und er die Geschichte vom Hotel in Miami erneut aufgreifen kann.

Das Programm endet mit Gedanken über den Tod. Er rechnet vor, woran die ZuschauerInnen, statistisch gesehen, sterben werden, und teilt den Saal in Todesursachen ein. In den ersten Reihen sind es Herzinfarkte, dann kommen die Krebskranken, die Verkehrsunfälle, im ersten Rang sind die Opfer ärztlicher Behandlungsfehler, im zweiten Rang die Suizide („Aber nicht jetzt und hier springen!“). Eine Handvoll Menschen im Publikum werden über hundert Jahre alt werden. Je älter er werde, sagt Cleese, desto reizvoller erscheine ihm der Tod. Auf einmal erscheint er verletzlich und schwach, nicht länger selbstzufrieden. Hinter ihm auf der Leinwand erscheint ein Grabstein. Standing Ovations und ab.