Ausgehen und rumstehen von Detlef Kuhlbrodt
: Warten auf den Handwerker, der niemals kommt

Foto: taz

Als ich Freitagvormittag ein wenig bei Poco-Domäne spazieren gehe, denke ich noch, es sei höchstens Donnerstag. Was ich haben will, finde ich nicht, dafür aber zufällig Gürtel. Da M. keinen mehr hat, was aber auch nicht so auffällt im Rollstuhl, kaufe ich einen. Dann ist es elf und ich rufe wieder den Handwerker an. Die Mischbatterie in der Küche ist schon so lange kaputt. Sodass ich seit einem Jahr schon kein Wasser mehr in der Küche habe.

Im Prinzip gewöhnt man sich daran, es ist auch schön, das Wort „Mischbatterie“ gelernt zu haben, aber ich bin doch ein bisschen genervt – schon ein halbes Jahr bemühe ich mich um einen Reparaturtermin. Ich rufe also meist um elf bei der Firma Sowieso an. Der nette Handwerker sagt, er würde am späten Nachmittag kommen, „dann machen wird das“, aber zuvor würde er noch mal anrufen. Ein paar Stunden bin ich ganz glücklich und dann ruft er wieder nicht an, und am nächsten Vormittag telefoniere ich wieder mit ihm und komme mir vor wie ein hässlicher Teenager, der sich um das schönste Mädchen der Klasse bemüht, und fühle mich gedemütigt, weil ich meine Wohnung aufgeräumt hatte, und wenn er dann doch irgendwann einmal kommen wird, werde ich ihm vermutlich so stockholmsymptommäßig um den Hals fallen.

Gegen Mittag fahre mit dem Fahrrad wieder zu den Hochhäusern, um M. zu besuchen, der mir von Weitem, als altes Schlachtross im weißen Hemd sozusagen, langsam entgegenkommt. Ich gebe ihm den Gürtel. Er sagt, er sei auf dem Weg in seine Stammkneipe und dass ihm ein Betreuer geholfen hatte, aus seiner Wohnung rauszukommen.

Bis zur Ampel gehen wir zusammen. Ich helfe ihm nicht, während er sich vorwärtskämpft, weil ich mich über seinen Besuch der Stammkneipe ärgere, bin aber gleichzeitig auch gut gelaunt. Es macht mir auch Spaß, ihn zu beobachten, wie ein Kind, das Laufen lernt.

Ich sage, du bist bestimmt in zwei Monaten wieder im Krankenhaus. Das Krankenhaus ist für ihn aber keine Drohung, sondern fängt ihn auf, und wenn er dann, nach ein, zwei Monaten, wieder den Umständen entsprechend hergestellt ist, nimmt er das zum Anlass, wieder in seine Stammkneipe zu pilgern. Und anders als ich befürchtet hatte, scheint er ja doch gerade halbwegs munter zu sein. Immerhin hat er ja zumindest wieder angefangen zu kiffen.

Erst am Abend fällt mir auf, dass es am Blücherplatz ein kleines Festival gibt, auf dem das Bündnis gegen Rassismus das ganze Wochenende zeigen will, wie „praktizierter Antirassismus und Antifaschismus aussehen kann“. Erst fällt mir die Musik auf, die durch die offene Balkontür in mein Zimmer dringt, dann stört sie mich. Als sie ein paar Minuten danach wieder abbricht, vermiss ich sie. Dann geht es wieder los mit Rap. Ein Reggaesänger ruft „Crazy Berlin!“, das Publikum antwortet johlend.

Gesundheitstechnisch bin ich ein wenig behindert und kann am Samstag dann doch nicht, wie geplant, zum Konzert von King Rocko Schamoni gehen. Stattdessen spiele ich Billard im Internet wie zehn Millionen andere Weltbürger. Ziel ist es, unter den besten 500.000 der Weltrangliste zu sein. Einer meiner Gegner heißt Nawab. Auf seinem Profilbild sind arabische Schriftzeichen, ein dünner Mann in bergiger Landschaft und die Worte „I love you“ – „hmmm, hmmm“.

Er lässt mich gewinnen, während draußen das antirassistische Festival ausklingt. Eine Band klingt lateinamerikanisch, eine andere eher irish-folkmäßig, in einer dem Tonfall nach antiimperialistischen Rede wird die „Solidarität – Zärtlichkeit der Völker“ beschworen und ab und an gibt es auch „Atatürk“-Rufe.