piwik no script img

Wollsocke der Demut

Zopfgretels Schiffstagebuch (6): der Backfisch

Donnerstag, 22. August 2019. 10.45 Uhr, Ort: 41.70239, -41.83035. Mitten auf dem Atlantik. Noch 1.448 nautische Meilen bis New York. Ui, ist mir schlecht. Wie immer hänge ich über der Reling. Und plötzlich sehe ich im Spiegel des Wassers einen Backfisch. Selbstverständlich bin ich Veganerin. Ich könnte nie einem Tier etwas zuleide tun. Tiere müssen für das Klima leiden. Und wir sind schuld. Aber so einen Backfisch würde ich gern mal wieder essen. Mit Zwiebeln. Und danach auf die Wildwasserbahn im Vergnügungspark Liseberg. Damit einem richtig schlecht wird. Eigentlich ist das genau wie hier auf der „Malizia“. Ach, ich wäre am liebsten wieder Kind. Unschuldig. Naiv. Unerfahren. Verliebt in Zuckerwatte. Begeistert von jedem Kettenkarussell. Aber die Verantwortung lastet schwer. Die Welt ist kein Vergnügen. Die Erde muss gerettet werden. Von mir. Deshalb spreche ich mit dem UN-Generalsekretär. Und Ed Sheeran. Und Kim Kardashian. Ich mache das nicht gern. Aber irgendjemand muss es schließlich tun. Ich bin nur eine weiche Wollsocke im weiten Meer der Demut. Für solche Sätze wurde mein Schiffstagebuch erfunden. Vielleicht werde ich doch noch, wenn die Welt erst gerettet ist, Schriftstellerin. Dafür habe ich schon als Kind geschwärmt. Ui, mir ist sooooo schlecht …

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen