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Zurück nach Hause

Steffen Herold und Anja Herzog haben Kindheit und Jugend in Bischofswerda verbracht und sind dann, wie fast alle, weggegangen. Nun sind sie Künstler – und wieder da, der Freiräume wegen

Von Lin Hierseund Hanna Voß

Bank, Bäcker, Dönerläden, Asia-Imbiss, Touristeninfo, Bar, Apotheke, Hotels, davon eines geschlossen. Sie stehen im Kreis, blicken auf den kopfsteingepflasterten Platz und warten auf nichts. Es ist ordentlich in Bischofswerda, wie in einem Kurort, und am Montagmorgen fährt ein orangefarbenes Reinigungsfahrzeug auf den Platz und spuckt zwei Menschen aus, die sich den Geranienkübeln widmen.

Einfach mal was zulassen

Eigentlich ist der Ort günstig gelegen, zwischen Bautzen und Dresden, an Autobahn und Bahnstrecke. Trotzdem sind viele Geschäfte „Es-war-einmal-Läden“: Es war einmal eine Schuhmacherei, und an der Türklinke des Redaktionsbüros der Sächsischen Zeitung hat eine Spinne ihr Netz gesponnen. Heute ist ein Juwelier, ein Reisebüro, und irgendwo zwischen War und Ist hält sich ein Fachgeschäft für Tischwäsche und Wachstücher. In der Kamenzer Straße stolpern wir in einen Laden, der nach Galerie und Werkstatt aussieht.

Der Raum ist voller Farbe, meist Öl auf Leinwand, Paletten stehen herum und Eimer. Steffen Herold begrüßt uns, sicher, für ein Gespräch hätte er Zeit. Anja Herzog bestimmt auch, sie ist gerade noch hinten im Atelier. Der 38-Jährige räumt einen Jutebeutel und ein paar Kissen vom Sofa. Er trägt den Dreitagebart von einem, der nicht wirklich über einen Dreitagebart nachdenkt, und den Teint von einem, der viel draußen ist. Seine schwarzen Klamotten sind verwaschen, die Turnschuhe staubig. Wir setzen uns. Gegenüber dem Sofa hängt ein Gemälde von einem nackten Po direkt über dem unfertigen Bild einer Friedenstaube.

Steffen Herold und Anja Herzog haben Kindheit und Jugend in Bischofswerda verbracht. Dann zogen sie weg, wie fast alle jungen Leute. Nach Dresden, Berlin, Randberlin. Herold kam zurück, weil er höchstens 200 Euro für ein WG-Zimmer ausgeben wollte. Zu dem Preis hat er in den größeren Städten nichts gefunden. In und um Bischofswerda kann man sogar günstiger mieten, dann aber auch einfacher: „Da wohnt man halt in einem alten Haus, wo es kein warmes Wasser gibt und man im Nachbarhaus duschen muss.“

Herzog ist 27, ihre Haare sind blondiert, die Nase ist gepierct. Sie trägt einen weiten Kapuzenpulli, Shorts über Leggings, alles mit Farbklecksen besprenkelt. Herzog hat in Dresden Kunst studiert, ein halbes Jahr nach ihrem Abschluss ist sie wieder nach Bischofswerda gezogen. Sie wollte eine eigene Galerie eröffnen, aber in Dresden waren die Ladenmieten für sie unerschwinglich.

Hier zahlen Herzog und Herold für den Laden, den sie sich mit einer ­Schmuckdesignerin teilen, nur die Nebenkosten. Seit 2014 begleitet sie dieser Raum nun, und Herzog sagt „begleitet“, als spräche sie über einen Freund. Auftragsmalerei ist ihr Hauptgeschäft: Eltern, die ihre Kinder porträtieren lassen wollen. Leute, die sich an ihr totes Haustier erinnern möchten. Der Blumenladen um die Ecke, der sich Blumenbilder auf der Fassade wünscht. Nebenbei gibt Herzog Workshops für Kinder aus dem Ort und arbeitet an ihrer eigenen Kunst. „Es ist die optimale Mischung aus Wirtschaftlichkeit und Selbstverwirklichung“, sagt sie, „und es ist einfach nur cool, mit einem Pinsel in der Hand Geld zu verdienen.“

Wieder nach Bischofswerda zu ziehen war für Herzog und Herold auch eine politische Entscheidung. „Die Mission ist schon, in der Heimatstadt und auf dem Land diese Rückkehrerrolle vorzuleben“, sagt Herzog. Letztendlich würden sich alle jungen Leute schnell verziehen – ein Teufelskreis, aus dem dann nie etwas Neues entstehen kann. Klar habe sie selbst dafür auch etwas aufgeben müssen. „In Dresden ist ein vielfältigeres Leben möglich, jeden Abend ist irgendwo ein Konzert oder eine Ausstellung“, sagt Herzog. Aber das Gefühl, ein persön­liches Opfer für die größere Sache zu bringen, werde mit der Zeit immer weniger. Es brauche eben vor allem Geduld. Bischofs­werda sei zwar klein, aber es dauere trotzdem lange, bis sich Dinge herumsprechen. „Man kann übelst viel machen, aber das heißt nicht, dass das auch den erreicht, der da Bock drauf hat“, sagt Herzog. Aber sie glaubt daran, dass sie hier Stück für Stück etwas verändern kann.

Und die Menschen hier? „Das ist schon ein etwas resigniertes Völkchen“, meint Herzog. Natürlich gebe es nicht nur Nazis, also die gebe es auch, aber das sei nicht die breite Masse. Manchmal treffen hier Nazis und Zecken aufeinander, sagt Herold, Bischofswerda sei eben auch noch irgendwie ländlich, da sitze man schon mal bei einem Bier in derselben Kneipe und könne sich nicht in die eigenen Räume zurückziehen. Manchmal knallt’s dann, manchmal nicht.

Der Wendeschmerz, er sei noch groß hier. Zu DDR-Zeiten hatte Bischofswerda ein Glaswerk und eine Mähdrescher­fabrik, mit der Wende machten die dicht. „Das hängt der Generation nach, die das miterlebt hat“, sagt Herzog, „die Leute ­fühlen sich vom Staat alleingelassen“. Heute lässt sich vor allem am Altwerden Geld verdienen, der größte Arbeitgeber der Stadt ist längst ein Seniorenheim.

Herzog und Herold sind jung und anders, und sie wollen nicht wieder weg. Für Bischofswerda wünschen sie sich mehr Menschen, die über den Tellerrand gucken. Und dass die Stadtratsmitglieder im Rathaus mal ein Experiment wagen, etwas Neues ausprobieren. Anja Herzog träumt von einem Hausprojekt, in dem alle möglichen Menschen leben können, mit Werkstätten zum Beispiel. „Oder eine grüne, pestizidfreie Stadt aus Bischofswerda zu machen“, ergänzt Herold. „Es gibt hier so viel Freiraum. Den könnte man nutzen und einfach mal was zulassen.“

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