THERMODYNAMIK
: Ooch wieda Physik

„Viel Spaß ihm“, sagte ich halblaut, „da oben is’ it noch heißa“

Die Baseler Verkehrsbetriebe werben derzeit um Berliner Busfahrer. Vordergründig geht es ums Geld, das man in der Schweiz besser verdienen kann als im armen Berlin. Aber Berliner Busfahrer sind wohl auch deshalb begehrte Mitarbeiter, weil sie durch nichts zu erschüttern sind: besoffene und pöbelnde Fahrgäste zuhauf, Autos in zweiter und dritter Reihe, Fahrräder ohne Licht und bei Rot kommend. Wer die Berliner Ellbogenurbanität im Verkehr überlebt hat, für den muss Basel ein Sanatorium sein, das zu Höchstleistungen beflügelt. Falls es wirklich einen Berliner Busfahrer gen Süden zieht, wäre ihm nur wünschen, dass er eines mitnimmt: seine Berliner Schnauze, bewährt im täglichen Einsatz.

Es war ein sehr heißer Sommertag – aber im 29er-Bus in Kreuzberg war es noch viel heißer als draußen, weil offenbar die neue Klimaanlage versagte und kein Fenster zu öffnen ging. „Warum is’n hier drinne so ’ne Bullenhitze, verdammt nochmal?“, pöbelte ein Mittvierziger, der gerade eingestiegen war, den Busfahrer an. Der Fahrer blieb ruhig: „Der Motor ist zu heiß jeworn, dit Kühlwassa kocht. Detwejen jeht die Abwärme volle Pulle in’n Innenraum, als Extra-Kühlung sozusajen.“

Durch den Gang laufend maulte der Fahrgast weiter: „Hör mir uff mit die scheiß Chemie!“ „Dit is’ nich Chemie, dit is’ Physik“, entgegnete der Mann am Steuer. „Mir doch ejal, mir is’ heiß“, rief der Meckerer und lief, die Fäuste hebend, zum Busfahrer zurück.

Um für Abkühlung der Gemüter zu sorgen, griff ich ein: „Beruhijen Se sich ma“, sagte ich laut zu dem Störenfried. „Icke jedenfalls freue mich, dass ick wieda wat jelernt habe.“ Die Resonanz eines Passagiers überraschte den Pöbler, und er verschwand auf das Oberdeck. „Viel Spaß ihm“, sagte ich halblaut zum Busfahrer, „da oben is’ it noch heißa.“ „Jenau, ooch wieda Physik.“

RICHARD ROTHER