Esther Slevogt betrachtet das Treibenauf Berlins Bühnen:
Der Künstler ist als Selbstvermarkter dem Hochstapler nicht unverwandt. Selbiges trifft natürlich auch auf die Künstlerin zu. Immer gilt es, Leute von der eigenen Größe, Schönheit und Einzigartigkeit zu überzeugen. Heute stehen als Ausdrucksverstärker auch noch soziale Medien zur Verfügung. Instagram zum Beispiel. Aktuell ist es nicht einmal mehr nötig, überhaupt Kunst zu produzieren. Längst gibt es Leute, die allein fürs Berühmtsein berühmt sind. Das alles hat Anfang des 20. Jahrhunderts angefangen, und der Schriftsteller Thomas Mann gehörte zu den frühesten Beobachtern dieses Phänomens, über das er in den Jahren vor dem 1. Weltkrieg ein Romanprojekt begonnen hat (erschienen ist das Buch erst 1954, immer noch als Fragment): „Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ – Krull, der bereits als Kind großes Talent zum Rollenspiel zeigt und dies zum perfekten Betrugswerkzeug ausbaut. Der Regisseur und Autor Alexander Eisenach hat sich eingehend mit der Figur des Hochstaplers als role model des modernen Menschen auseinander gesetzt und ein Stück darüber geschrieben. Das Stück soll im Dezember uraufgeführt werden. Als Teil eins der Unternehmung kommt zur Spielzeiteröffnung am Schiffbauerdamm Eisenachs Auseinandersetzung mit dem Originalstoff von Thomas Mann heraus. (Berliner Ensemble: „Felix Krull. Stunde der Hochstapler“, Premiere 16.8., 19:30 Uhr).
Auch im Gorki Theater geht die Spielzeit wieder los, und zwar mit Sebastian Nüblings Inszenierung von Heiner Müllers „Herzstück“, das gerade einmal vierzehn Zeilen lang und eher eine poetische Sottise als ein Drama ist. In Zusammenarbeit mit dem Ensemble macht Nübling daraus nun einen Abend über „Liebe und Zeit, über Nicht-Arbeit als Rebellion, über Theater als Unterbrechung und Heiner Müller als Direktor eines Zirkus aufmüpfiger Clowns im kapitalistischen Herbst!“ Das wollen wir doch sehen! (Gorki Theater: „Herzstück“, Premiere 17. 8., 20 Uhr).
In diesem Jahr wäre Einar Schleef 75 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass spielt das Gefangentheater AufBruch Schleefs Komödie „Die Schauspieler“. Darin besucht eine Theatertruppe eine Notunterkunft, um Studien für ein sozialkritisches Stück zu betreiben. Mit dem Gestus der bessergestellten Kulturträger treten die Schauspieler den sozial Deklassierten entgegen. Wie sieht das nun im Fall des Gefangenenensembles aus? Gespielt wird im Flughafen Tempelhof, wo sich bis vor kurzem noch Unterkünfte für Geflüchtete befanden. (TheaterAufbruch: „Die Schauspieler“, ab 21.8., 19:30 Uhr. Alle Infos: www.gefaengnistheater.de).
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