Ein Stück seines Lebens

Ganz früher der Schlagzeuger der Beatles, vor Ringo Starr, heute Staatsbeamter, der in Pete-Best-Revival-Bands spielt und gern gesehener Gast auf Beatles Conventions ist: Ein Treffen mit Pete Best

von JENNI ZYLKA

Manchmal entscheidet nur eine Kleinigkeit zwischen einem Leben als Beamter und einem Leben als Beatle. Pete Best weiß das. Er war schließlich ein Beatle. Er hat viele Jahre später einem seiner recht erfolglosen und recht langweiligen Alben den Titel „Once a Beatle, always …“ gegeben. Was man trotzig, aber auch wehmütig finden kann. Damals nämlich, an einem Augusttag im Jahr 1962, kam der neue Beatles-Manager Brian Epstein zu dem 21-jährigen Beatles-Schlagzeuger Pete Best und schmiss ihn raus. Einfach so, keine große Erklärung, hey Pete, die Jungs wollen dich draußen haben. Die wollen, dass Ringo bei ihnen trommelt.

Dass die Jungs ihn draußen haben wollten, ist der Grund, warum man 43 Jahre später nicht weiß, wie Mr. Best aussieht, während die Pressedame vom Berliner Hotel Estrel versucht, ihn zu finden. Best ist auf Einladung der Berliner Beatles Convention angereist, er soll am Abend bei einem Beatles-Talk zu Gast sein, und es gibt eine Signierstunde mit ihm.

Aber Best taucht zum Interviewtermin nicht auf. „Er rennt bestimmt hier irgendwo herum“, entschuldigt sich die Pressedame und zeigt im Programmheft auf ein Foto von einem Mann mit Schnäuzer. „So, aber in Weiß.“ So, aber in Weiß sehen dreißig Prozent der Convention-Gäste aus. Der durchschnittliche Beatles-Fan ist im gleichen Alter wie seine Helden. Vielleicht sollte man einfach einen anderen weißhaarigen Mann nehmen und ihm ein paar Beatles-Fragen stellen.

Am nächsten Tag sind Best seine Termine wieder eingefallen, und so wartet er, weißhaarig, in Jeans, weißem, über den genussvoll angetrunkenen Pub-Bauch gespannten T-Shirt und weißen Oma-Turnschuhen, vor der Presselounge, um sein Leben zum hunderttausendsten Mal auf diese zwei kurzen Jahre zu reduzieren. Er redet in dem vertrauten Dialekt, dem Slang, in dem Lennon/McCartney ihre beatlestypischen Halbstarkenwitzchen zu klopfen pflegten, diesem sympathischen Liverpool-Idiom, das die Beatles damals von coolen Londoner Gruppen unterschied.

Seine Augen sind intensiv hellgrün, und es fällt einem wieder ein, dass Best ja angeblich mal der Beliebteste aller Beatles war: In Hamburg, Anfang der Sechzigerjahre, hatte er vor allem weibliche Fans. Auf den Fotos von früher trägt er die Rockertolle eindeutig am längsten. Und die coolste Lederjacke hatte er auch. Manche behaupten, bandinterne Eifersucht habe bei der Trennung eine Rolle gespielt. Best trinkt einen Schluck Bier und sagt: „Ob es noch immer bitter ist, irgendwo einen Beatlessong zu hören? Nein, das ist für mich Hintergrundmusik.“ Etwas später relativiert er. „Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich mag die Musik. Aber ich würde nicht das Radio lauter machen …“

Damals war es schlimm, als er rausflog, ohne den Grund genannt zu bekommen: „Verstehen Sie, da wurde ein Stück meines Lebens weggenommen.“ Kompetenzüberlegungen, die Lieblingsthese der abertausenden Beatles-Fans, schließt er aus. Schließlich habe er danach noch ewig Musik gemacht, bis er sich zwanzig Jahre später aus dem Musikgeschäft zurückzog und Staatsbeamter wurde. Und verstanden habe er sich mit den Rest-Beatles immer. „Am besten mit John. Wir kannten uns schon seit unserer Kindheit.“ Auch John hat sich, genau wie die anderen Beatles, nach 1962 nie mehr bei Best gemeldet. „Er hat aber Jahre später mal in einem Interview gesagt, dass er sich schämt“, sagt Best. „Sie hatten ja nicht mal den Anstand, selbst mit mir zu reden.“

In der Zurückhaltung, mit der er „dignity“ sagt, klingt leise, aber hörbar fast schon eingeschlafene Enttäuschung mit. Sie hatten damals keine Traute, die Jungs, waren überrascht vom plötzlichen Erfolg nach den harten Jahren als unerfahrene, wilde Stripbegleitband in Hamburg und verließen sich auf ihren neuen Manager. Und Pete war nicht nur ein Freund: Seine Mutter führte den Liverpooler Casbah Club, in dem die Beatles noch als „The Quarrymen“ ihre ersten Auftrittsmöglichkeiten bekamen. Kein Wunder, dass sie sich schämten.

Von 1962 bis 1968 spielte Pete Best weiter in Bands, die nach ihm benannt wurden. Dann „wurde mir die Familie wichtiger“. Vielleicht wurde auch das Publikum rar. Er machte etwas Handfestes: eine Bäckerausbildung. Hielt den Job aber nicht lange aus. Er ging zum Civil Service und wurde Sicherheitsbeamter. Das hielt er länger aus, bis 1988, als es ihn wieder auf die Bühne zog. Und wieder spielt er mit einer „Pete Best Band“ „den Sound meiner Vergangenheit, mit dem ich aufgewachsen bin“, ein musikalisch bescheidener Trip irgendwo zwischen züchtigem Beat und Golden-Oldie-Coverband.

Kann er, der immer noch am Liverpool-Sound verdient, den Trip der Beatles ab 1966, als sie mit „Sgt. Pepper“ eine neue Popdimension schufen, nachvollziehen? Doch, schon, behauptet er. Es klingt nicht sehr überzeugend. „Am Ende des Tages“, sagt er, „bin ich froh, dass es so ist, wie es ist. Dass ich keine nationale Ikone geworden bin. Man muss die Vergangenheit hinter sich lassen“.

Pete Best tut jedoch das Gegenteil. So lange er auf Beatles Conventions auftritt und über 1962 redet, so lange wird er an den Tag denken, an dem Brian Epstein ihn rausschmiss. Wenn er nicht rausgeflogen wäre, wäre er jetzt vermutlich mit einem Model verheiratetet, Multimillionär und in hunderten von Biografien analysiert und beschrieben worden. Andererseits, wenn er nie bei ihnen mitgespielt hätte, würde kein Hahn nach ihm krähen. Dann wäre er einfach ein freundlicher Staatsbeamter mit einer großen Familie. Und zufällig dem gleichen Dialekt wie die wichtigste Band der Welt.