„Wir wollen nicht so viele Leute wie möglich“

Umsonst und draußen: Noch bis Samstagabend steigt in Heimfeld das alternative Festival „Keine Knete trotzdem Fete“. Neben Musik für alle gibt Lesungen und Workshops

Bitte nicht mit einer „Abendblatt“-Kuschel- Kampagne verwechseln: Texttafel auf dem Festivalgelände Foto: Marcello Tenedini

Interview Carlotta Kurth

taz, Herr Tenedini, wie lange gibt es das Festival schon – und warum?

Marcello Tenedini: Das Festival gibt es seit 15 Jahren und wurde ursprünglich gegründet, damit es auch ein Festival gibt, zu dem Leute mit geringerem Einkommen hingehen können. Ihnen soll Kultur angeboten werden, die nicht den monetären Ansatz in den Vordergrund stellt.

Waren Sie von Anfang an dabei?

Ich selbst bin seit zehn Jahren dabei. Früher hat das Festival noch im Harburger Stadtpark stattgefunden. Irgendwann hatten wir dort ein Problem mit der Stadt, weil sich Anwohner beschwerten, es wäre zu laut. Deshalb war dann ein Jahr Pause. Das Abstruse daran war, dass an dem geplanten Datum dort ein zweitägiges Schützenfest stattfand. So hatten wir ein wenig das Gefühl, dass es ein politisches Kalkül war. Jetzt soll jedoch „im alten Geiste“ mit Hilfe einer Quartiersmanagerin dieser Ort kulturell aufgewertet werden.

Mittlerweile sind Sie auf dem Gelände des Metal-Vereins Tipsy Apes.

Sie vermieten das Gelände an uns, haben aber nichts mit dem Programm oder den Workshops zu tun und treten auch nicht auf. Das Ganze hat eine hohe Solidaritätsquote, das heißt, wir reparieren Dinge für sie auf dem Gelände und halten es instand. Aber es gibt auch einen Betrag, den wir an Miete zahlen.

Wie viele Besucher kommen zu Ihnen?

Am gesamten Wochenende so um die 3.000 bis 4.000 Leute – jedes Jahr etwa 200 bis 300 mehr.

Sind da viele treue, also regelmäßige Besucher dabei?

Es sind viele Leute aus dem Hamburger Raum und vor allem aus Harburg, die regelmäßig kommen, aber natürlich kommen auch immer wieder neue. Wir machen nur ganz wenig aktive Werbung, wir haben zum Beispiel keine Facebook-Veranstaltung. Wir wollen nicht, dass so viele Leute kommen wie möglich – wir wollen ja auch nicht so viel Geld machen wie möglich.

Neben Security haben Sie auch ein „Awareness-Team“ auf dem Festival. Was ist das?

Es geht darum, dass wir allen Menschen auf dem Festival die Möglichkeit geben wollen, sicher feiern zu können und sich nicht von Machtstrukturen, Übergriffen und Grenzüberschreitungen einschränken zu lassen. Hier geht es nicht nur um Sexismus, sondern um alle Arten der Diskriminierung.

Das Festival zu besuchen, kostet nichts. Wie kann das überhaupt funktionieren?

Die Haupteinnahmen machen wir über den Getränkeverkauf. Da haben wir aber auch drauf geachtet, dass die Preise bezahlbar sind. Zum Beispiel bekommt man einen Liter Wasser für 1,50 Euro. Ein Bier kostet zwischen 2 und 2,50 Euro.

Zahlen Sie den Auftretenden Gagen?

Die meisten Künstler werden für die Fahrt- und Unkosten entlohnt. Nur vereinzelt werden Gagen abgesprochen. Letzten Endes buchen wir keine Künstler, die nur auf das Prinzip Geld aus sind, sondern unser Konzept unterstützen. Und: Es bewerben sich dreimal so viele, wie wir auftreten lassen können.

Kriegen Sie Spenden oder Zuschüsse?

Nein, von staatlicher Seite verzichten wir darauf, weil wir sagen, wir wollen unabhängig bleiben und wir wollen zeigen, dass unser Konzept auch so funktioniert. Aber wir haben natürlich solidarische Projekte, zum Beispiel im Gängeviertel, wo der Gewinn an uns geht.

Kann es passieren, dass Sie nach einem Festival sogar Überschüsse haben?

Foto: privat

Marcello Tenedini, 30, ist einer der Veranstalter des zweitägigen Festivals.

Ja, das ist schon vorgekommen, wir spenden den Überschuss dann aber an solidarische Projekte. Dieses Jahr ist Sea-Watch im Gespräch.

Ein Wort zum Programm: Was gibt es denn zu hören?

Diverses. Wir haben verschiedene Floors. Auf der Hauptbühne läuft von Stoner-Rock über Hip-Hop alles. Wir haben einen Techno-Floor, wo tagsüber auch queerfeministischer Rap gemacht wird oder Sing- und Songwriter auftreten.

Was ist Ihr persönliches Must-see oder Must-do für den Samstag?

Also das Must-do am Samstag ist auf jeden Fall die Lesestunde ab 14 Uhr. Dann geht es weiter mit verschiedenen Workshops und einer Podiumsdiskussion. Außerdem sollte man das Programm auf der Hauptbühne mitnehmen.

Einer der Workshop-Namen ist „Flirten im Konsens: Open to all gender!“ – was steckt dahinter?

Hier geht es darum, dass im zwischenmenschlichen Bereich nur ein Ja auf jeden Fall Ja heißt. Viele Menschen fragen sich dann: Wie flirte ich überhaupt? Jeder hat eine andere Vor­stellung davon – und manchmal ist diese grenzüberschreitend. Damit das nicht passiert, zeigt der Workshop, wie Flirten im Konsensbereich funktioniert.

„Keine Knete trotzdem Fete“, 2. (und letzter Tag): Sa, 3. 8., 14 Uhr, Am Radeland 25a, Hamburg-Heimfeld Infos: https://keineknetetrotzdemfete.de