: Mit Flyern und Gesprächen gegen Massentierhaltung
DIE INI (IV) Im Landkreis Celle betreibt eine Initiative das mühsame Geschäft mit der Aufklärung
Die Norddeutschen engagieren sich in Bürgerinitiativen gegen Verkehrsprojekte, für Tiere oder gegen Datenmissbrauch – mal laut und knallig, mal leise und beharrlich. Diese Serie stellt in loser Folge die Menschen hinter den Initiativen vor.
Früher hat Wolfgang Weuster Fleisch gegessen. Seit er sich in der Bürgerinitiative Flotwedel für respektvollen Umgang mit Nutztieren engagiert, ist das vorbei. Zu viel weiß er jetzt über Massentierhaltung. „Hühner werden so schwer, dass sie sich nur mühsam zur Wasserstelle in ihren Riesenställen schleppen können“, sagt Weuster, ein lebensfroher Mensch mit Tabakpfeife und Weißweinschorle. Enten würden so bedrängt gehalten und gemästet, „dass sie nie Wasser sehen“. Ihr Gewicht sei so hoch, dass sie „einfach umfallen“.
Weuster und Dieter Vandreike von der Bürgerinitiative berichten über ihre mühsame Aufklärungsarbeit – ohne schnelle Erfolge. Sie erzählen vom Schlachthof Wietze mit einer Jahreskapazität von 135 Millionen Schlachttieren. Nun entstehen Hühnermastställe mit Platz für zwei Mal 42.000 Hühner – knapp unter der Größe, ab der eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgeschrieben ist.
Was wäre umweltverträglicher aus Sicht der Ini? Weuster: „Erst mal muss man bei sich selbst anfangen“, also den Fleischkonsum auf ein vernünftiges Maß reduzieren. „Wir wollen nicht zurück in die Steinzeit, es geht um einen verantwortungsvollen Umgang mit sich und den Tieren.“
Zur ersten Informationsveranstaltung vor einem Jahr kamen 200 Leute. Die Ini ist Gründungsmitglied des niedersächsischen Landesnetzwerks Bauernhöfe statt Agrarfabriken, veranstaltet Infostände, verteilt etwa viermal im Jahr Bürgerbriefe. Dabei geht nicht nur um Hühnerställe – sondern etwa auch um Gülle. Die wird von der Ems und Ostfriesland in die Region verfrachtet – Nitratverseuchung ist die Folge. Dieter Vandreike macht darauf aufmerksam, dass diese Prozesse eine „enorme Dynamik“ entwickelten. Die nächstgrößere Dimension könnten dann Ställe für 430.000 Hühner und die dann folgende Größe vier Millionen Tiere umfassen.
Massentierhaltung sei nur möglich, wenn „stallweise“ Antibiotika gegeben werden – Resistenzen sind die Folge, das kann, sagen die Flotwedeler, sehr gefährlich für den Menschen werden. Und weiter: „Ist es sinnvoll, dass Deutschland die ganze Welt ernährt?“ Damit ist die deutsche Agrarexportpolitik gemeint. Die Ini wirbt dafür, beim Einkaufen zu fragen, wo angebotenes Fleisch herkommt: „Diese Diskussion muss man aushalten“, sagt Vandreike.
Die Zustimmung an Infoständen ist hoch. Zur Bürgerinitiative, die sich alle zwei Wochen trifft, gehört „die klassische 68er-Generation“. Acht Frauen und Männer sind es heute: Es ist von der Verfassungsbeschwerde eines Rechtsanwalts gegen Massentierhaltung die Rede. Dann geht es um die Idee, ein Warnschild gegen biologische Gefahren an den Ställen aufzustellen; nächstes Thema ist, warum die Abluftfilteranlage eines Hühnerstalls nur für 35 Tage zertifiziert ist. Presseerklärungen, Kreistagsinitiativen, Herumschlagen mit lokaler Politik. Die Flotwedeler wirken nicht verbissen und frustriert, wenn sie reden, sondern konzentriert und gelassen. FRANK BERNO TIMM