Faszination und Schrecken

Von „The Deer Hunter“ bis „Saving Private Ryan“: Die Reihe „Mars. The Bringer of War“ präsentiert Filme zum Thema Krieg im Freiluftkino Pompeji am Ostkreuz

Britische Soldaten sitzen im Sommer 1940 am Atlantik bei Dünkirchen fest: Szene aus Christopher Nolans „Dunkirk“ Foto: Warner

Von Fabian Tietke

Wolken und Fabrikabgase mischen sich im Morgenhimmel über Clairton, einer kleinen amerikanischen Industriestadt in Pennsylvania. Im Inneren des örtlichen Stahlwerks speit ein Hochofen Funken. Drei Kumpels aus dem Stahlwerk ziehen 1968 freiwillig in den Vietnamkrieg.

Michael Cimino skizziert die Brutalität der Kampfhandlungen in seinem Film „The Deer Hunter“ nur kurz, bevor die drei Protagonisten in Gefangenschaft geraten. Sie werden in einem Bambuskäfig in einem Fluss gehalten, von ihren vietnamesischen Aufsehern gezwungen, Russisches Roulette zu spielen, können schließlich fliehen. Doch die Rückkehr erweist sich als harte Probe.

Das Freilichtkino Pompeji zeigt Ciminos „The Deer Hunter“ anlässlich der Wiederaufführung von Francis Ford Coppolas „Apocalypse Now“ in einer kleinen Reihe von Kriegsfilmen. Coppolas Film hat die Reihe bereits am Montag eröffnet. Heute folgt „The Deer Hunter“, morgen „Dunkirk“ und am Sonntag beschließt Steven Spielbergs „Saving Private Ryan“ die Reihe. Im Zentrum der Reihe steht die Erfahrung von Kriegsgeschehen, die die Protagonisten nicht selten den Verstand verlieren lässt.

Dennoch: Alle diese Filme – „The Deer Hunter“ noch am wenigsten – leben auch von der Faszination des Kriegs als Spektakel. Immer noch gilt, was der Filmkritiker Uwe Nettelbeck in den 1960er Jahren konstatierte: „Das Wort Antikriegsfilm kann man getrost abschaffen, die Gattung, die es meint, gibt es nicht.“ Das Freilichtkino Pompeji legt dies schon mit Titel der Filmreihe offen. „Mars. The Bringer of War“ nimmt mit der Referenz auf den römischen Kriegsgott eher den Krieg als Schicksalskraft in den Blick.

Als Ciminos Film 1979 auf der Berlinale lief, sorgte er für einen Skandal, den zweiten, den ein Vietnamfilm auf dem Festival verursachte. Während 1970 die US-Delegation in Michael Verhoevens „o.k.“ die Reinszenierung eines Verbrechens in Kriegszeiten erkannte, war es im Falle von Ciminos Film die Sowjetunion, die sich empörte. „In einer Reihe von Episoden dieses Films ist dem heroischen Volk von Vietnam eine Beleidigung zugefügt worden“, hieß es in einer Erklärung. In der Behandlung des Vietnamkriegs im US-Kriegsfilm bleibt die vietnamesische Bevölkerung unsichtbar oder nur als Klischee skizziert, die die eigentliche Handlung umgeben. Kriegsfilme sind meist Blicke ins Innenleben einer Gesellschaft. Die Darstellung des Kriegsgegners gerät darüber aus dem Blick.

Der Film, dem diese Perspektive am wenigsten bekommt, ist interessanterweise Christopher Nolans „Dunkirk“. Nolan greift in seinem Film eine zentrale Episode für die britische Geschichte des Zweiten Weltkriegs auf. Im Sommer 1940 haben deutsche Truppen nach strategischen Fehlern der französischen Armeeführung das britische Expeditionskorps und die Reste der französischen 1. Armee an die Atlantikküste zurückgedrängt. Etwa 400.000 Soldaten sitzen am Atlantikstrand bei Dünkirchen fest. Hinter ihnen die deutsche Armee, vor ihnen das Meer. Sollten die Soldaten nicht evakuiert werden können, hätte Großbritannien den Großteil seiner Armee verloren.

„Dunkirk“ lebt über weite Strecken vom Gegensatz zwischen der Weite des Stands und des Meeres, das sich vor ihm erstreckt, und der klaustrophobischen Enge, die dieser kleine Strandabschnitt für die Soldaten darstellt, die auf ihm festsitzen. Christopher Nolans „Dunkirk“ erzählt die Geschichte der Evakuierung ganz ohne Nazikitsch und sinnentleerte Militärbegeisterung. Nach dem Filmstart wurde dem Film vorgeworfen, die indischen Einheiten, die als Truppen des britischen Empire Teil der Eingeschlossenen waren, unsichtbar gemacht zu haben. Indem „Dunkirk“ nun in einer Reihe von US-Filmen läuft, die im Blick auf Kriegsgeschehen einen Blick auf die eigene Gesellschaft entdecken, gewinnt diese Blindstelle an Gewicht. Es ist eine überraschende Verschiebung, dass einer der klügsten Filme der Reihe im Zusammenspiel der Filme an Kraft verliert.

Demgegenüber gewinnen sowohl „The Deer Hunter“ als auch Spielbergs „Saving Private Ryan“. „The Deer Hunter“, weil er explizit keine progressive Perspektive auf den Krieg einnimmt, sondern einige der besten Schauspieler des US-Kinos (Robert De Niro und Christopher Walken) Stahlkumpels spielen lässt, die zwar gern jagen, aber am Krieg zerbrechen. Ciminos stillschweigende, gut beobachtete Inszenierung brüchiger Männlichkeit, die sich beständig selbst affirmieren muss, ist an Aktualität schwer zu überbieten. Die pathetische Beschwörung richtigen Handelns in Spielbergs „Saving Private Ryan“ mit zahlreichen Referenzen auf den verzweifelten Kampf jüdischen Widerstands im Zweiten Weltkrieg hingegen wirkt dagegen im Hier und Jetzt beinahe ­utopisch.

Die Kriegsfilm-Reihe „Mars. The Bringer of War“ läuft vom 15. bis 21. Juli im Freiluftkino Pompeji, Laskerstraße 5. Programm unter: freiluftkino-pompeji.de