piwik no script img

Limited Edition:Mit Spider Man im Möbelhaus

Die taz stellt in der neuen Serie „Limited Edition“ Bremens Zine-Szene vor. In Teil 1 hat das Künstlerinnenduo „Von weit her(geholt)“ nicht nur Tiefschürfendes über bedrucktes Papier zu sagen, sondern ist dabei auch noch ausgesprochen witzig

Ihre Montagen machen auch vor Ikea nicht Halt: eine Seite aus „BÅUFYL“ des Zine-Kollektivs Foto: jpk

VonJan-Paul Koopmann

Manchmal zählt vor allem die stimmige Illusion. Denn der Inhalt dieser betont handgemachten Unmasked-Hefte würde ja auch digital funktionieren. Es sind Skizzen von Spider Man in seinen charakteristischen Posen: wie er über Kopf mit angezogenen Beinen am Seil baumelt zum Beispiel, oder auf allen Vieren mit den Händen und Füßen weitab vom Körper – ein Kraftakt, der selbst im brutal un-nerdigen Fitnessbereich als „Spiderman Crawl“ gefürchtet ist.

22 solcher Haltungen hat das Künstlerinnenduo „Von weit her(geholt)“ so präzise wie skizzenhaft herausgearbeitet, kopiert und als Heft zusammengetackert. Der Witz ist die zweite Ausgabe. In exakt die gleichen Bilder haben die Künstlerinnen hier Alltagsgegenstände hineingezeichnet beziehungsweise -gekritzelt. Ein Strich, drei Kreise und ein Dreieck machen die Spinne an der Wand zum Billardspieler, ein grober Fleck und ein Eimer lassen den Superhelden Fußböden schrubben statt wie sonst auf einem New Yorker Hochhausdach zu hocken und nach den Bösen Ausschau zu halten.

Dass Jasmin Richter und Lisa Buskühl ihren Spider Man auf zwei Ausgaben verteilt haben, ist Teil ihres Spiels mit dem Seriellen. Verfremdende Bildmontage mag im Internet nicht der Rede wert sein, auf Papier ist sie es aber erstaunlicherweise doch. Vielleicht weil sich mit Kopierer und Filzstift keine Realität vortäuschen lässt und die Manipulation betont grober Skizzen als Selbstzweck und eben Kunst so eindeutig ist.

Auf jeden Fall werden mit dem getackerten Papier in der Hand Arbeitsgänge nachvollziehbar und die am Computer verschleierte Herstellungszeit wieder erfahrbar. Darüber wird schließlich auch die Figur des wohl körperlichsten Superhelden auf ein Tempo gedrosselt, in dem sie wieder erkennbar wird.

Dass Unmasked kein lustiger Glückstreffer ist, sondern Ausdruck einer künstlerischen Haltung, beweist seine innere Verwandtschaft mit einer weiteren Arbeit des Zine-Kollektivs: „BÅUFYL“. Auf leicht gräulichem Papier haben Richter und Bushkühl Elemente aus Ikea-Anleitungen übereinander gelegt. Auf der ersten Seite nur zwei, was wie eine leichte Unschärfe wirkt, aber mit jedem Blättern kommen weitere dazu.

Bereits auf Seite vier ist die Konstruktion aus stilisierten Bauteilen, Pfeilen, Hinweisen und willkürlichen Vergrößerungen nicht mehr zu entschlüsseln, drei Seiten später wird daraus eine Höllenmaschine, die Möbelbastler*innen in den Wahnsinn treibt – oder vielmehr daran erinnert: Tatsächlich kennt wohl fast jede*r diese Frustmomente, wenn auch echte Bauanweisungen keinen Sinn mehr erkennen lassen.

Erreicht wird auch dieser Eindruck durch Doppelung, auch hier funktioniert er nur auf Papier, weil das Bild ein Gebrauchsgegenstand ist, der geblättert werden will, umgedreht und irgendwann frustriert in die Ecke geworfen – genau wie die echten Ikea-Hefte, denen das Kunstwerk bis hin zum Papier gleicht.

Das Kollektiv „Von weit her(geholt)“ macht Zines, die viel schlauer sind als sie in ihrer Beiläufigkeit vorgeben. Schon dass beim Zusammenprall eines schlüssigen ästhetischen Konzepts mit dem Flachwitz der Humor überlebt, passiert ja gar nicht so oft. Und wie unaufdringlich dabei auf der Metaebene auch noch Grundsätzliches über die Materialität von Kunst zu erfahren ist, kann man einfach nur bezaubernd finden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen