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Geiles Regenloch offen

Nach 45 Jahren erreicht erster Zug Nordhorn

Nackte Nordhorner voller Vorfreude auf die erste Bahn Foto: ap

Endlich ist es so weit. Vor sage und schreibe fünf Jahren hatten wir an dieser Stelle berichtet, dass die Deutsche Bahn nach 40 Jahren plane, das niedersächsische Kaff Nordhorn mit Personenzügen anzufahren. Jetzt passiert es dank der enormen Geschwindigkeit der Bahn doch noch, wie dpa am Donnerstag berichtete: „Personenzüge fahren nach 45 Jahren wieder nach Nordhorn.“ An diesem Samstag soll tatsächlich der erste Zug seit fast einem halben Jahrhundert dort eintreffen und mit Tsching­de­ras­sa­bum der örtlichen Feuerwehrkapelle begrüßt werden.

Bekanntlich ist Nordhorn das größte Regenloch Deutschlands. Das ganze Jahr über wird die Provinzstadt an der niederländischen Grenze vollgepladdert. Aber sonst weiß man nicht viel über das Nest, in dem angeblich 50.000 Insassen ihr Unwesen treiben. Schließlich hat dort ewig kein Zug mehr gehalten. Und Autobahnen gibt es nicht in diesem abgelegenen Flecken des flachen Landes.

Deswegen soll hinter den Lehmwällen, die Nordhorn umgrenzen, auch allerlei Ominöses geschehen. Die wenigen Nordhorner, denen es gelang, auszubrechen, berichten von abscheulichen Vorgängen. Den lieben, langen Tag spazieren die Insassen nackt durch die matschigen Straßen. Spontane Orgien sind an der Tagesordnung. Es soll dort nicht nur drei, sondern gleich dreizehn Geschlechter geben.

Die meisten Nordhorner sind zudem taub, da sie 24 Stunden am Tag von ohrenbetäubender Marschmusik beschallt werden, die das Gequietsche der dauernd von Ekstase ergriffenen Körper übertönen soll. Nicht von ungefähr hat sich der fragwürdige Ruhm Nordhorns in alle Welt verbreitet, in angelsächsischen Ländern nennt man jemanden, der „notgeil“ ist, „nordhorny“.

Nun sollen wieder einmal junge und kräftige Lokführer frisches Blut in den abgeschiedenen Ort bringen, nachdem sich die Zugführer 45 Jahre lang voller Angst weigerten, Nordhorn anzusteuern. Ob die Lokführergewerkschaft da mitspielt? Wollen die Nordhorner überhaupt aus ihrem schlammigen Elend befreit werden? Und existiert Nordhorn eigentlich wirklich und ist nicht nur die Phantasmagorie landflüchtiger Bauern-trampel? Fragen über Fragen, die hoffentlich nicht im Dauerregen untergehen.

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