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Ein echt märchenhafter Geburtstag

Fensterkonzert mit den Bremer Philharmonikern: Mittwoch, 3. Juli, 13.30 Uhr Domshof, anschließend Beginn der Stadtmusik

Seit der ersten Veröffentlichung der „Bremer Stadtmusikanten“ in der zweiten Auflage der „Kinder- und Hausmärchen“ von Jacob und Wilhelm Grimm 1819 sind am 3. Juli 200 Jahre vergangen. Das würdigt Bremen mit einem „Stadtmusikantensommer“. Die zentrale Festwoche startet pünktlich am Mittwoch – mit viel Musik. Eine ganze Woche lang soll es auf über 60 Bühnen so genannte Stadtmusiken geben. Zum Auftakt spielen die Philharmoniker am Mittwoch auf dem Domshof.

Dass es so weit kommen konnte, ist durchaus bemerkenswert. Denn die vier Märchenfiguren sind ja nie in der Hansestadt angekommen, sondern haben unterwegs eine Räuberbande aus deren Haus vertrieben und sind dort geblieben. Trotzdem sind die Bremer heute stolz auf das Quartett. Die Bronzeskulptur hat, trotz ihrer geringen Größe, Wahrzeichenqualität entwickelt. Sie wurde vom Bildhauer Gerhard Marcks (1889-1981) geschaffen und 1953 zunächst als Leihgabe aufgestellt, später dann mit Spenden und einem Darlehen für 20.000 D-Mark angekauft.

„Die Brüder Grimm haben sich intensiv mit Tierepen befasst“, sagt der Kasseler Germanist und Grimm-Experte Holger Ehrhardt. Die Geschichte von den Stadtmusikanten sei ihnen „aus dem Paderbörnischen“ von der Familie der Freiherren von Haxthausen zugetragen worden. Dabei sei es Jacob und Wilhelm Grimm vor allem darum gegangen, eine spannende Geschichte in ihre Sammlung aufzunehmen: „Ausgediente alte Figuren, denen Ungerechtigkeit widerfährt, kommen zu neuem Lebensglück.“

Das Thema selbst sei uralt, erläutert Bernhard Lauer, Geschäftsführer der Brüder-Grimm-Gesellschaft in Kassel. Wie Menschen handelnde Tiere, die durch Klugheit und Kooperation ihr Ziel erreichten, seien schon in antiken Fabelwerken belegt. Und dass es nach Bremen gehen sollte, ist Lauer zufolge auch kein Zufall: „Bremen war die Stadt hanseatischer Freiheiten, ein Sehnsuchtsort, von dem viele mit großer Hoffnung auf ein besseres Leben in die Neue Welt auswanderten.“

Dass sich die rebellische Geschichte der Aussortierten sozialutopisch ausdeuten lässt, betont der Bremer Deutschlehrer Dieter Brand-Ruth. Er ist 2017 mit einer soziokulturellen Studie über die Märchentiere promoviert worden, ein echtes Werk, fast 450 Seiten stark. „Die Tiere lehren uns die Ehrfurcht vor dem Leben und die Notwendigkeit von Bedingungen, die körperliche Unversehrtheit gewährleisten“, bilanziert er. (epd/taz)

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